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  • Herbicide Health Dangers: Monsanto Faces Blowback Over Cancer Cover-Up

    A release of internal emails has revealed that U.S. agrochemical giant Monsanto manipulated studies of the company’s herbicide, Roundup. Experts believe the product causes cancer – and the consequences for the company could be dire.

    Some companies’ reputations are so poor that the public already has low expectations when it comes to their ethics and business practices. That doesn’t make it any less shocking when the accusations against them are confirmed in black and white.

    Agricultural chemicals giant Monsanto is under fire because the company’s herbicide, Roundup (active ingredient: glyphosate), is suspected of being carcinogenic. Permission to sell the chemical in the European Union expires on December 15 with member states set to decide on Wednesday whether to renew it for another 10 years. And now, the longstanding dispute about glyphosate has been brought to a head by the release of explosive documents.

    Monsanto’s strategies for whitewashing glyphosate have been revealed in internal e-mails, presentations and memos. Even worse, these “Monsanto Papers” suggest that the company doesn’t even seem to know whether Roundup is harmless to people’s health.

    “You cannot say that Roundup is not a carcinogen,” Monsanto toxicologist Donna Farmer wrote in one of the emails. “We have not done the necessary testing on the formulation to make that statement.” …

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  • Scheinheilig

    Wer weniger Glyphosat schlucken will, muss mehr für Lebensmittel bezahlen.

    Ein Kommentar von Philip Bethge, DER SPIEGEL 21/2016

    Die quä­len­de De­bat­te um das Un­kraut­ver­nich­tungs­mit­tel Gly­pho­sat ist frus­trie­rend für den Ver­brau­cher. Da­bei könn­te der die Sa­che selbst in die Hand neh­men.

    Der Ein­satz von Gly­pho­sat auf den Fel­dern ist näm­lich die di­rek­te Fol­ge der Schnäpp­chen­men­ta­li­tät des deut­schen Su­per­markt­kun­den. Geiz ist geil, heißt es hier­zu­lan­de vor al­lem bei Le­bens­mit­teln. Doch wer Bil­lig­fleisch, Bil­lig­milch und Bil­lig­kä­se kauft, un­ter­stützt eine Art von Land­wirt­schaft, die ohne Gly­pho­sat nicht mehr aus­kommt.

    Das Mons­an­to-Spritz­mit­tel ist ver­gleichs­wei­se preis­wert und wir­kungs­voll, eine Win-win-Si­tua­ti­on für die kon­ven­tio­nell wirt­schaf­ten­den Bau­ern. Des­halb lan­det es auch bei uns auf den Zu­cker­rü­ben- und Win­ter­wei­zen­fel­dern. Vor al­lem aber fin­den sich Gly­pho­sat-Rück­stän­de in je­nem gen­tech­nisch ver­än­der­ten So­ja­schrot aus Süd­ame­ri­ka und den USA, das auch deut­schen Milch­kü­hen, Fleisch­rin­dern, Mast­schwei­nen und Hähn­chen tag­täg­lich in die Fut­ter­trö­ge ge­schüt­tet wird.

    Der Ver­brau­cher fühlt sich ohn­mäch­tig. Ohn­macht ist aber auch be­quem. Sie ent­bin­det da­von, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Ein schnel­ler Klick bei Kam­pa­gnen­por­ta­len ge­gen Gly­pho­sat mag ein gu­tes Ge­fühl ge­ben. Doch das ist zu we­nig. Kon­se­quent wäre es, dann im Su­per­markt nur noch zu Bio­fleisch, Bio­milch- und Bio­ge­trei­de­pro­duk­ten zu grei­fen, die Gly­pho­sat-frei er­zeugt wer­den. Wer ge­sund le­ben will, muss Le­bens­mit­tel vor al­lem mehr wert­schät­zen.

    Der Streit um das Pes­ti­zid ist auch ein Stell­ver­tre­ter­krieg um die Zu­kunft der Land­wirt­schaft. Der Wi­der­stand der Um­welt­ver­bän­de, der Grü­nen und neu­er­dings auch der SPD ge­gen das um­strit­te­ne Mit­tel wird nicht zu­letzt des­we­gen so ve­he­ment ge­führt, weil des­sen Geg­ner nach der En­er­gie­wen­de eine Agrar­wen­de wol­len. Wer das rich­tig fin­det, muss dann aber auch auf Bio um­stei­gen und mehr fürs Es­sen be­zah­len. Al­les an­de­re ist schein­hei­lig.

     

  • Totgespritzt

    Es steckt im Tierfutter, im Brot, in der Milch: Das Pestizid Glyphosat belastet seit Jahrzehnten die Umwelt, weltweit. Forscher warnen vor Missbildungen und Krebs. Wie gefährlich ist der Stoff wirklich?

    Von Philip Bethge – DER SPIEGEL 24/2015

    Das Unheil kam langsam über den Hof von Helge Voss. Zuerst gaben die Kühe weniger Milch, ihr Kot war mal dick, mal dünn, obwohl sie stets das gleiche Futter fraßen. Dann kamen die ersten Tiere nicht mehr hoch – als wären die Hinterläufe gelähmt. Einige Kühe blieben nach der Niederkunft einfach liegen und starben im Stroh.

    “Ich hatte Tiere, die haben auf keine Behandlung mehr angesprochen”, sagt Voss, Milchbauer in Kaaks, einem Dorf in Schleswig-Holstein. So etwas hatte es noch nicht gegeben auf dem Hof seiner Familie, nicht beim Vater und nicht beim Großvater, die beide auch schon vom Vieh lebten.

    “So eine Kuh muss glänzend aussehen, Fleisch auf den Rippen haben, und wenn ich die auf die Weide lasse, muss sie auch mal rennen wollen”, sagt Voss, 42. Doch nun, plötzlich, nur noch Hungerhaken im Stall, “zu dünn, zu langsam, zu stumpf das Fell”. Erst mal suche man die Schuld bei sich, dann sei er aber doch zum Tierarzt gegangen, “und der hat gleich auf Glyphosat getippt”.

    In deutschen Kuhställen geht eine mysteriöse Krankheit um. Manche Veterinärämter halten das Leiden für ein Hirngespinst paranoider Bauern. Einige Tierärzte dagegen sprechen von “chronischem Botulismus” und warnen vor einer Epidemie.

    Wenn sie über die Gründe für die schleichende Vergiftung sprechen, taucht immer wieder ein Wort auf: Glyphosat.

    –> Originaltext auf Spiegel.de

    Glyphosat ist das weltweit meistversprühte Herbizid; seit 40 Jahren ist es in Gebrauch und daher fast überall zu finden: im Urin von Mensch und Tier, in der Milch, im Tierfutter, in Organen von Schweinen und Kühen, in Hasen und Fasanen, im Wasser.

    Seit 2001 ist der Einsatz von Glyphosat in den EU-Ländern möglich. Ende des Jahres nun läuft die Zulassung aus. Die European Food Safety Authority (EFSA) wird Anfang August eine Empfehlung aussprechen, ob der Stoff für weitere zehn Jahre zugelassen werden kann. Gut möglich, dass zu diesem Anlass ein seit Jahren schwelender Streit eskaliert: darüber, wie gefährlich Glyphosat für Mensch, Tier und Umwelt ist.

    Auf der einen Seite steht die Agrarindustrie mit einer mächtigen Lobby, die seit Jahrzehnten die Unbedenklichkeit des Stoffes für Mensch und Tier beschwört. Auch das Bundesamt für Risikobewertung (BfR), das in der EU für die wissenschaftliche Einschätzung der Chemikalie zuständig ist, hält Glyphosat für weitgehend ungefährlich . Gerade hat das Amt einen 2000 Seiten starken Bericht an die EFSA verschickt. Darin setzen die BfR-Autoren die “akzeptable Tagesaufnahme” für den Menschen sogar um zwei Drittel herauf.

     

     

    Auf der anderen Seite kämpfen Umweltverbände und Ökoaktivisten, aber auch immer mehr unabhängige Wissenschaftler. Sie glauben, dass Glyphosat Missbildungen bei Säugetieren hervorrufen kann, Niere und Leber schädigt und Unfruchtbarkeit oder Krebs begünstigt. Ein Warnruf von höchster Warte schürt die Sorgen: Die International Agency for Research on Cancer (IARC), eine Vereinigung unter dem Dach der Weltgesundheitsorganisation, hat Glyphosat Anfang März als “wahrscheinlich krebserregend für den Menschen” eingestuft.

    Ist Glyphosat also harmlos genug zum Trinken, wie es manche Industrielobbyisten predigen? Oder ist es das DDT des 21. Jahrhunderts, hochgiftig und im Begriff, die gesamte Nahrungskette zu verseuchen?

    Wer sich um Klärung bemüht, bekommt es mit verschwiegenen Firmen zu tun, die Forschungsergebnisse als Betriebsgeheimnisse deklarieren. Kritische Studien werden schlechtgemacht, Wissenschaftler unter Druck gesetzt.

    “Die Industrie tut alles, um missliebige Forscher zu diskreditieren”, sagt der französische Toxikologe Gilles-Éric Séralini, einer der schärfsten Glyphosat-Kritiker. Séralini glaubt, dass die Zulassungsbehörden der Industrie seit Jahren in die Hände spielen, auch deshalb, weil sie Glyphosat nur isoliert auf Giftigkeit prüfen; nur den Wirkstoff an sich also – nicht aber die tatsächlich versprühten Mixturen. Séralinis Forderung: “Glyphosathaltige Pestizide sollten sofort verboten werden.”

    Glyphosat wurde erstmals 1950 in der Schweiz synthetisiert. Seit 1996 kommt es massiv zum Einsatz, vor allem zusammen mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, denen die Chemikalie nichts anhaben kann. Die Kombination galt lange als ökologisch unbedenklich und äußerst wirkungsvoll: Glyphosat hemmt das Enzym eines für Pflanzen essenziellen Stoffwechselwegs. Gentech-Getreide wie etwa die Roundup-Ready-Sorten des Agrarriesen Monsanto widerstehen dem Killer. Wer also Glyphosat gegen Unkraut spritzt und gleichzeitig die Gentech-Saat verwendet, darf auf reiche Ernten hoffen.

    Jahrelang ging das gut. Doch die Bauern müssen immer größere Mengen des Pestizids auf die Felder sprühen, weil viele Unkräuter resistent geworden sind. Über 700 000 Tonnen des Stoffs produzieren Firmen wie Monsanto, Syngenta oder Bayer Crop Science inzwischen im Jahr. In Deutschland sind derzeit 94 glyphosathaltige Unkrautvernichter unter Namen wie Roundup, Glyfos oder Permaclean zugelassen.

    Gartenfreunde sprühen die Mittel in die Fugen zwischen den Terrassenplatten. Die Bahn hält damit ihre Gleisanlagen kahl. Deutsche Bauern wiederum machen mit den Pestiziden Tabula rasa, um Felder für die neue Aussaat vorzubereiten. Oder sie nutzen die Mittel für die sogenannte Sikkation : Raps, Kartoffeln oder Weizen werden kurz vor der Reife gleichsam totgespritzt, weil sie dann leichter zu ernten sind. Diese Technik erhöht die Pestizidrückstände in den Feldfrüchten. Für die EU kein Problem: Sie hat den Glyphosat-Grenzwert für Brot- und Futtergetreide einfach erhöht.

    Die größten Glyphosat-Mengen indes stecken in importierten Futterpflanzen. Als Tierfutter sind Gentech-Mais und -Soja etwa aus Argentinien oder den USA seit 1996 in der EU zugelassen. Das eiweißreiche Getreide ist billiger als Kraftfutter aus Europa und landet direkt in den Trögen jener Kühe und Schweine, deren Milch oder Fleisch in hiesigen Supermärkten angeboten werden.

    Doch was macht die Glyphosat-Flut mit der Umwelt? Schon lange steht das Mittel im Ruf, die Böden auszulaugen. Genpflanzen überleben die Behandlung zwar, werden aber anfälliger für Krankheiten, bleichen aus oder fallen Pilzen zum Opfer. Nun mehren sich die Anzeichen, dass Glyphosat auch Tier und Mensch schaden könnte.

    Ib Borup Pedersen, Schweinezüchter aus dem dänischen Spentrup, fütterte seine Schweine jahrelang mit Gentech-Soja. Irgendwann wurde er misstrauisch. “Jede Sojalieferung führte zu neuen Gesundheitsproblemen”, erzählt der Landwirt. Durchfall, Magengeschwüre und Blähungen plagten Pedersens 450 Sauen. Testweise ließ er das Gentech-Soja weg. “Die Tierarztkosten fielen um zwei Drittel”, erinnert sich Pedersen, “die Sauen wurden ruhiger und produzierten mehr Milch.”

    Nun wollte es der Schweinezüchter aus Jütland genau wissen. Fortan führte er Buch über die Herkunft des Schweinefutters und die Erkrankungen seiner Tiere. “Zwei Jahre und 32 000 Schweine später” hatte Pedersen “deprimierende Gewissheit”. Glyphosat im Futter, so zeigten seine Notizen, verschlechterte nicht nur den Allgemeinzustand der Sauen. Es häuften sich auch Fälle von Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und Missbildungen an Schädel, Wirbelsäule und Beinen.

    Pedersen hat die Horrorshow sorgfältig dokumentiert: Seine Fotos zeigen Ferkel mit nur einem Auge oder ohne Anus, Tiere mit deformierten Ohren, Schnauzen und Zungen, mit klaffenden Löchern im Schädel oder verkrümmten Beinen. Einige der Tiere ließ Pedersen ärztlich untersuchen. Überall im Körper fanden sich Glyphosat-Rückstände, vor allem in Lunge und Herz.

    “Ohne Zweifel ist Roundup der Grund für meine Probleme”, folgert der Züchter. Und er ist sich sicher, dass seine Erfahrungen keine Ausnahme sind.

    Auch in Pedersens Urin fand sich Glyphosat. “Das macht mir besonders Sorgen, weil ich mein Essen ganz normal hier bei uns im Supermarkt einkaufe”, sagt er.

    Pedersens Studie hat wissenschaftlich keinerlei Aussagekraft, weil sie anekdotisch ist, nicht systematisch. Und doch bestätigen seine Notizen, was Publikationen in Fachjournalen zeigen. Im Tierexperiment entwickelten Krallenfrosch- und Hühnerembryonen Missbildungen durch Glyphosat. Rattenembryonen, die mit verdünntem Roundup geduscht wurden, erlitten Skelettschäden.

    Das Pestizid galt lange als unbedenklich, weil es auf ein Enzym zielt, das allein in Pflanzen wirkt. Aufruhr im Säugetierkörper richtet der Stoff aber wohl dennoch an. Er ist nah mit der Aminosäure Glycin verwandt und kann deren Platz im Stoffwechsel einnehmen.

    Forscher berichten, dass Glyphosat nerventoxisch wirken und das Hormonsystem durcheinanderbringen könne. Bei Embryonen stört der Stoff möglicherweise den Retinsäure-Stoffwechsel, der eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung spielt.

    Auch einen immens wichtigen Enzymkomplex könnte er beeinflussen: den biochemischen Werkzeugkasten zur Entgiftung des Körpers. Ständig bombardieren toxische Substanzen aus der Nahrung Mensch und Tier. Enzyme bauen diese Stoffe in Leber und Niere ab. Normalerweise. Glyphosat könnte diesen Mechanismus hemmen. Ohne gut laufende Entgiftung jedoch wird der Körper zur Sondermüllhalde.

    Einer, der es genau wissen will, ist der Franzose Séralini. Seine Arbeitsgruppe im normannischen Caen erforscht seit Jahren die Wirkung von Glyphosat. Séralini badete menschliche Embryonal- und Plazentazellen in Roundup-Lösungen und protokollierte die vernichtende Wirkung der Chemikalie. Zum Erzfeind der Industrie wurde der Forscher aber erst, nachdem er Versuchsratten über zwei Jahre Roundup ins Trinkwasser geträufelt oder sie mit Gentech-Mais gefüttert hatte.

    Séralini untersuchte insgesamt 200 Ratten, analysierte Blut, Kot, Urin und Organe. Was er fand, beschreibt der Toxikologe als “alarmierend”. Nieren- und Leberschäden waren zu verzeichnen, die Weibchen entwickelten überdurchschnittlich häufig Brustkrebs. Die Hirnanhangdrüse war bei vielen Tieren vergrößert, der Stoffwechsel verändert.

    Im September 2012 veröffentlichte das Fachblatt “Food and Chemical Toxicology” die Studie. Danach brach in Séralinis Leben die Hölle los. “Innerhalb der ersten 24 Stunden protestierten über hundert Forscher gegen unser Paper”, erzählt er, “dann schlossen sich die Behörden, die Glyphosat zugelassen hatten, dem Widerstand an.”

    Séralini wurden “Falschaussagen” vorgeworfen, “Verwendung von Tieren für Propagandazwecke”, “Munitionierung für Extremisten”. Wenn sich der Forscher daran erinnert, in seinem kleinen, schmucklosen Büro in einem Seitentrakt der Université de Caen, klingt er verbittert. Der energische Toxikologe fühlt sich als Opfer einer Schmutzkampagne.

    “Es gab enormen Druck vonseiten der Industrie”, sagt Séralini. Mit Erfolg: Im November 2013 zog “Food and Chemical Toxicology” Séralinis Veröffentlichung zurück . Zufall oder nicht – ein halbes Jahr zuvor hatte das Fachmagazin den US-Ernährungswissenschaftler Richard Goodman in seinen redaktionellen Beirat berufen, einen ehemaligen Monsanto-Mitarbeiter.

    Der Streit um Séralinis Arbeit ist typisch für die Glyphosat-Debatte. Kritische Studien werden zunächst fachlich angezweifelt. Dann wird’s persönlich. Im Fall der französischen Rattenstudie bemängeln Kritiker , dass der Forscher die falschen Labor-

    ratten und vor allem zu wenig Tiere verwendet habe, um signifikante Aussagen machen zu können. Séralini hält dagegen. Inzwischen hat ein anderes Fachblatt die Studie neu publiziert. Die Reputation des Franzosen ist dennoch beschädigt.

    Bei der aktuellen Krebsstudie der IARC wiederholt sich das Muster. Die Experten sortierten Glyphosat in die “Kategorie 2A” ein, “wahrscheinlich krebserregend für den Menschen”. Sie berufen sich vor allem auf drei Studien aus den USA, Kanada und Schweden, die nahelegen, dass die Chemikalie das Risiko erhöht, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken. Außerdem gebe es “überzeugende Hinweise”, dass Glyphosat Krebs bei Labortieren und Erbgutschäden bei menschlichen Zellen hervorrufe, berichtet der IARC-Epidemiologe Kurt Straif.

    Straif und 16 weitere Experten von Weltruf haben an der IARC-Einschätzung mitgearbeitet. Ein Jahr lang diskutierten die Wissenschaftler, bevor sie im März ihr Urteil fällten. Die Ergebnisse publizierten sie im angesehenen Fachblatt “Lancet Oncology”. Die Pestizidhersteller beeindruckt das wenig; umgehend zogen sie gegen die Forscher zu Felde.

    “Wir sind empört”, wetterte Robb Fraley , oberster Techniker von Monsanto. Die IARC-Einschätzung widerspreche “Jahrzehnten umfangreicher Sicherheitsforschung der führenden Regulierungsbehörden der Welt” und sei “ein klares Beispiel einer tendenziösen Agenda”. Monsanto-Chef Hugh Grant diffamierte die Arbeit gar als “junk science”, zu Deutsch: Drecksforschung.

    Die Firma aus St. Louis in den USA beharrt darauf, dass Glyphosat weder Krebs, Missbildungen oder Erbgutschäden auslöse, noch die Fruchtbarkeit beeinträchtige oder das Hormonsystem störe. “Alle ausgewiesenen Glyphosat-Anwendungen sind sicher für die menschliche Gesundheit”, sagt Fraley. Was der Konzern angeblich mit mehr als 800 Studien belegen kann.

    An einer davon hat der Toxikologe Helmut Greim mitgearbeitet. Der weißhaarige Experte, gerade 80 geworden, war jahrelang einer der führenden Toxikologen in Deutschland. Längst im Ruhestand, arbeitet er immer noch als Gutachter, seine Basis ist ein kleines Büro an der Technischen Universität München in Weihenstephan.

    Jüngst hatte Greim 14 Tierversuchsstudien auf dem Tisch, die den Zusammenhang zwischen Glyphosat und Krebs ergründen. “Es gab keine Hinweise auf einen kanzerogenen Effekt”, sagt der Forscher. Kein Wunder, findet er: “Es fehlt ein plausibler Mechanismus, wie Glyphosat Krebs auslösen könnte.”

    Seine Ergebnisse fasste Greim Anfang des Jahres in einem Fachmagazin zusammen. Zu den Koautoren gehört David Saltmiras – einer der Cheftoxikologen von Monsanto und Mitglied der “Glyphosate Task Force”, eines Lobbyverbands.

    Und das ist die zweite Strategie der Industrie: Unliebsame Studien werden mit eigenen Arbeiten gekontert, die oftmals das komplette Gegenteil zum Ergebnis haben. Greim räumt das ein: Seine Metastudie sei durchaus als Antwort auf die Untersuchung des Franzosen Séralini gedacht.

    Andere Studien wiederum halten die Pestizidhersteller mit dem Verweis auf “Betriebsgeheimnisse” sorgsam unter Verschluss. Werden kritische Ergebnisse verheimlicht? Anfang der Achtzigerjahre zum Beispiel gab Monsanto Fütterungsversuche mit Ratten in Auftrag, eigentlich um die US-amerikanische Environmental Protection Agency (EPA) von der Harmlosigkeit von Glyphosat zu überzeugen. EPA-Vermerke von damals legen jedoch nahe, dass die Industriestudie eine “große Zahl” pathologischer Veränderungen der Rattennieren feststellte, Veränderungen, die einen Krebsverdacht begründen können.

    Inzwischen stuft die EPA Glyphosat als praktisch ungiftig ein. Auch das BfR in Berlin sieht keinerlei Gesundheitsgefahren durch den Stoff. Sind die Behörden den Taktiken der Glyphosat-Lobby auf den Leim gegangen, wie Kritiker meinen?

    Das BfR weist den Vorwurf der Industrienähe vehement zurück. “Eigenständige Bewertungen” von “mehr als 1500 Publikationen” seien durchgeführt worden. Doch wie kann das sein? Wie ist es möglich, dass ausgewiesene Experten zu so unterschiedlichen Einschätzungen über ein und denselben Stoff kommen?

    Das BfR bietet eine Erklärung an. Die Unterschiede, heißt es dort, hätten ihren Ursprung “in einem anderen methodischen Ansatz”. Regulierungsbehörden beurteilen Umweltchemikalien nämlich vor allem nach deren direkter Wirkung auf Versuchstiere im Labor.

    Das geht so: Forscher träufeln Ratten reines Glyphosat in verschiedenen Konzentrationen ins Futter. Dann bestimmen sie jene Glyphosat-Menge, die den Ratten gerade eben noch keine Schäden zufügt. Gleichzeitig messen sie, in welcher Konzentration der Stoff tatsächlich in der Umwelt vorkommt. Liegen die beiden Werte weit auseinander, geben die Kontrolleure Entwarnung. Bei Glyphosat ist das so.

    Anders die sogenannte gefahrenbezogene Bewertung, die zum Beispiel zum Votum der IARC führte: Unabhängig von der Dosis untersuchen die Forscher dabei, ob der Stoff ganz prinzipiell gefährlich für Mensch und Tier ist. Zudem werten sie Studien zu den in der Umwelt real beobachteten Folgen des Glyphosat-Regens aus. Solche epidemiologischen Studien haben den Nachteil, dass die Versuchsbedingungen nicht gut zu kontrollieren sind. Dafür bilden sie besser die Wirklichkeit ab.

    Zudem mehren sich die Hinweise darauf, dass Glyphosat nicht allein, sondern erst im Mix zum Killer werden könnte. “Pestizide wie Roundup enthalten etwa 50 verschiedene Moleküle”, sagt Séralini. Von einer “Mischung stark korrosiver Stoffe aus der Ölindustrie” spricht der Forscher. Die aggressive Chemie ist zum Beispiel notwendig, um die Pflanzenwände aufzubrechen. Erst dann kann das Glyphosat eindringen und sein Vernichtungswerk verrichten.

    Rezepturen wie Roundup seien “bis zu tausendmal giftiger als Glyphosat allein”, sagt Séralini. Auch das BfR hat erkannt, dass der Mix eine wichtige Rolle spielt. Besonders giftige Beistoffe, die sogenannten Tallowamine, sind inzwischen zumindest in Deutschland verboten. Doch das Problem bleibt, findet Séralini – zumal die Giftigkeit des jeweiligen Potpourris überhaupt nicht getestet wird.

    Séralinis Arbeit ist die einzige Langzeitstudie weltweit, bei der Roundup verfüttert wurde. In allen anderen Fällen testeten die Forscher Glyphosat pur. Das jedoch sei “das falsche Produkt”, kritisiert Séralini, nämlich eines, “das auf dem Markt gar nicht existiert”.

    Ist der massive Einsatz glyphosathaltiger Pestizide also ein fahrlässiger, weltumspannender Feldversuch an Tier und Mensch? “DDT hat man früher auch als völlig untoxisch angesehen”, sagt Monika Krüger, emeritierte Veterinärmedizinerin, “dann hat man langsam gemerkt, dass da im Himmel keine Vögel mehr waren.” Die ehemalige Leiterin des Instituts für Bakteriologie und Mykologie der Universität Leipzig weiß zwar, dass der Vergleich nicht ganz stimmt – Glyphosat wird viel schneller abgebaut als das Insektengift DDT. Doch die Wissenschaftlerin will aufrütteln. Denn auch ihr gefällt nicht, was sie sieht.

    Krüger untersuchte die missgebildeten Ferkel des dänischen Bauern Pedersen. Sie entdeckte Glyphosat-Rückstände im Urin von Hochleistungskühen. Vor allem aber musste sie mehrfach zusehen, wie Bauern in Sachsen und Schleswig-Holstein einen Großteil ihrer Herde an den “chronischen Botulismus” verloren.

    “Die Lähmungen ziehen von hinten herauf nach vorn, können die Lunge erreichen”, erläutert die Professorin. Dann sacken die Kühe einfach zusammen, “abgemagert, mit aufgezogenem Bauch”.

    Das Gift von Bakterien des Typs Clostridium botulinum sei schuld an dem Leiden, sagt die 67-jährige Forscherin. Normalerweise fristen die Einzeller ein Hungerdasein im Verdauungstrakt. Andere Mikroorganismen halten sie in Schach. Bei erkrankten Kühen jedoch haben sie sich rasant ausgebreitet. Schleichend werden die Tiere von innen vergiftet.

    Warum kommt es zur Giftattacke? Krüger ist sich sicher: Das Glyphosat im Tierfutter ist schuld. Die Forscherin hat im Labor untersucht, wie Glyphosat auf die Mikroorganismen des Kuhpansens wirkt. “Ausgerechnet viele der nützlichen Organismen werden durch Glyphosat abgetötet”, erläutert sie. Dies störe die Pansenflora, die Botulismus-Clostridien könnten sich “massiv vermehren”.

    Ratten, deren Nieren anschwellen, missgebildete Ferkel, vergiftete Kühe, Menschen mit Lymphdrüsenkrebs – hängt all dies mit Glyphosat und Pestiziden wie Roundup zusammen? Der wissenschaftliche Streit könnte sich noch Jahre hinziehen. Ist es fahrlässig, solange einfach weiterzumachen wie bisher?

    Bauer Voss aus Dithmarschen jedenfalls will nicht mehr warten, bis sich die Forscher geeinigt haben. Er hat seine Konsequenzen gezogen.

    Voss verfüttert jetzt selbst angebaute Ackerbohnen und Raps an seine 75 Kühe. Glyphosathaltiges Sojaschrot aus Übersee mutet er ihnen nicht mehr zu. Seither gäben die Tiere wieder mehr Milch, sie seien fruchtbarer und gesünder.

    Bald will Voss seinen Hof ganz auf ökologische Landwirtschaft umstellen und Biomilch produzieren. “Diesen Irrsinn”, sagt er, “mache ich nicht mehr mit.”

    –> Originaltext auf Spiegel.de

  • Kosmos des Süßkrams

    Die Schokoladenindustrie hat es jahrelang versäumt, den Kakaoanbau zu modernisieren. Die Plantagenbäume sind alt, krank und tragen zu wenig Früchte. Auf den letzten Drücker geben die Hersteller jetzt Millionen für mehr Nachhaltigkeit aus.

    Von Philip Bethge, DER SPIEGEL 51/2014VIDEO dazu

    Wenn Peter Boone an Schokolade denkt, fallen ihm Wörter wie “cremig”, “süß”, “fruchtig” oder “milchig” ein, aber auch “rauchig”, “erdig”, “Zimt” und “Lakritz”.

    Oder Boone schwärmt gleich von “Ganache”, verführerischen Kombinationen aus Sahne und Schokolade, von Pralinen mit “Knusperelementen” in der Füllung und “Schokoladentropfen” mit den Aromen des “Hibiskus” oder der “Himbeere”.

    “Bei Geschmacksvielfalt fällt vielen Leute automatisch Kaffee oder Wein ein”, sagt Boone, “doch dasselbe Potenzial ruht im Kakao – und unsere Aufgabe ist es, dieses Potenzial zu entfesseln.”

    Boone ist Chief Innovation & Quality Officer von Barry Callebaut, dem führenden Schokoladenproduzenten. Im belgischen Wieze, gut 40 Autominuten nordwestlich von Brüssel, betreibt die Firma die größte Schokoladenfabrik der Erde. 1,7 Millionen Tonnen des dunklen Süß produzierte Barry Callebaut im vergangenen Geschäftsjahr. Unternehmen wie Mondelez, Unilever oder Hershey verarbeiten es zu Weihnachtsmännern, Pralinen oder Eiscreme.

    Der dunkle, erdige Geruch von Kakao liegt über der gesamten Anlage. In den Lagern stapeln sich grobe Säcke mit Kakaobohnen. Nebenan, in Speziallabors, tüfteln Experten an neuen Rezepturen und analysieren die rund 10 000 Inhaltsstoffe der Kakaobohne, immer auf der Suche nach den Schokoladeninnovationen von morgen.

    “Wir versuchen, die Kakaobohne vollständig zu enträtseln”, erläutert Boone, “Schokolade ist Genuss pur; wir wollen sicherstellen, dass das auch so bleibt.”

    Wieze ist ein eigener Kosmos des Süßkrams. Ähnlich wie in Roald Dahls Kinderbuchklassiker “Charlie und die Schokoladenfabrik” kreist dort alles um die braune Köstlichkeit. Doch die verführerische Willy-Wonka-Welt trügt. Die Schokoladenindustrie ist in Bedrängnis. Während die Nachfrage weltweit vor allem wegen wachsender Schokolust in Schwellenländern wie China oder Indien steigt, könnte die Produktion bald stagnieren.

    Der Grund: Industrie, Produktionsländer und Bauern haben es jahrzehntelang versäumt, den Anbau des Kakaobaums zu modernisieren. Auf die Kakaopreise wirkt sich die Agrarkrise zwar noch nicht direkt aus. Doch die Branche ist alarmiert.

    “Unsere Industrie ist an einem kritischen Punkt”, sagt Bill Guyton, Präsident der World Cocoa Foundation mit Sitz in Washington, D. C. Der oberste Schokoladenwächter führt eine Koalition von Branchengrößen an, die sich nun zum Handeln gezwungen sieht.

    Im Mai haben zwölf Schokofirmen wie etwa Barry Callebaut, Mars und Ferrero gemeinsam mit den Regierungen der beiden größten Produktionsländer, Ghana und Elfenbeinküste (siehe Grafik ), das Programm “Cocoa Action” aufgelegt, um die Zukunft des Kakaoanbaus in Afrika abzusichern. Auch in Asien und Südamerika investieren Schokoladenfirmen Millionenbeträge in Plantagen, Pflanzenforschung und Schädlingsbekämpfung.

    Sie reagieren damit auf eine Situation, die dringlicher kaum sein könnte. Überalterte Kakaofarmen erzielen magere Ernten. Die Böden sind ausgelaugt. Pflanzenkrankheiten vernichten etwa ein Fünftel der globalen Kakaoernte.

    Verschärft wird die Situation durch den Klimawandel. Die Modelle der Klimaforscher sagen für die Tropen höhere Temperaturen und unregelmäßigere Regenfälle voraus. 2007 hatte der Weltklimarat bereits gewarnt, dass sich die Ernten in Äquatorialafrika bis 2020 halbieren könnten.

    Den Kakaobauern mangelt es an fast allem: an Schulen, medizinischer Versorgung, Zukunftsperspektiven. An der Elfenbeinküste etwa leben 60 Prozent der Kakaobauern unterhalb der Armutsgrenze. Und Schätzungen zufolge schuften etwa 1,8 Millionen Kinder auf den Kakaofarmen Westafrikas, rund eine halbe Million davon unter Bedingungen, die gegen die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO verstoßen. Kinderarbeit auf der Kakaoplantage – eine hässliche Vorstellung angesichts der Fülle von Schokoleckereien, die sich im reichen Westen derzeit wieder in den Regalen türmen.

    Und was passiert, wenn Ebola zuschlägt? Noch hat die Seuche Ghana und die Elfenbeinküste verschont. Aber sie wütet bei den direkten Nachbarn.

    “Wir befürchten, dass der Kakaoanbau ohne schnelles Eingreifen in eine Abwärtsspirale geraten könnte”, sagt Howard-Yana Shapiro, Chef der Agrarforschung beim US-Lebensmittelkonzern Mars und Pflanzenforscher der University of California Davis. Der 68-Jährige treibt für Mars das Kakaorettungsprogramm “Vision for Change” voran. An der Dringlichkeit der Mission lässt er keinen Zweifel. “Ich bin kein Alarmist, sondern Realist”, sagt Shapiro, “wir müssen handeln, jetzt.”

    Shapiro ist ein ungewöhnlicher Industriebotschafter. Mit langem weißen Bart und ebensolchem Haupthaar wirkt er wie Santa Claus persönlich, ein reich gewordener Althippie, der vegan lebt und seine Büroräume im kalifornischen Davis als Parkplatz für eine Sammlung von fast hundert Motorrädern nutzt.

    Zu Mars kam er, nachdem die Firma ein von ihm mitaufgebautes Unternehmen für Biosaatgut kaufte. Seither muss er sich oft den Vorwurf gefallen lassen, eine Art Öko-Feigenblatt für die Industrie zu sein. Doch die Kritik ficht ihn nicht an – Shapiro gilt als einer der profiliertesten Agrarexperten der Erde. Seit über 35 Jahren erforscht der Genetiker Nutzpflanzen. 2010 sorgte er für Aufsehen, als er für Mars das Genom der Kakaopflanze entschlüsselte – und es anschließend kostenfrei ins Internet stellte.

    Inzwischen vertraut Mars Shapiro etwa 30 Millionen Dollar jährlich an, um den Kakao in die Zukunft zu retten: Bis 2020 will Mars angeblich nur noch nachhaltig produzierten Kakao verarbeiten, Kakao also, der von den Zertifizierern Fairtrade, Rainforest Alliance oder UTZ Certified ausgezeichnet ist. Diese Mission führt Shapiro regelmäßig rund um den Erdball.

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    An diesem heißen Dezembertag geht es im Geländewagen nach Petit Bondoukou, einer Gemeinde im zentralen Kakaoanbaugebiet der Elfenbeinküste. Finanziert von Mars, versuchen Experten des World Agroforestry Center (Icraf) hier bereits seit 2010, den Bauern der örtlichen Kooperative zu helfen. Im Moment ist Haupterntezeit. Am Rand der Straße stehen dicht gedrängt die Kakaobäume mit ihren dicken, ovalen Früchten, deren Schalen von rot und orange über gelb bis grün und lila changieren. Allein, das üppig wirkende Pflanzenmeer trügt. Die Probleme sind fundamental.

    Yoba Traoré, ein schlanker Ivorer mit Vollbart und braunen, weiten Kleidern, baut auf fünf Hektar Kakao an. Der 54-Jährige lebt mit seinen beiden Frauen und sieben Kindern in einem wellblechgedeckten Lehmhaus. Sein Land liegt zwei Kilometer weiter die Straße hinab. Die Kakaobäume stehen eng. Ihre Äste winden sich in alle Richtungen. Nur wenig Licht dringt durch das dichte Blätterdach.

    Auf einer Lichtung hat Traoré, mit Plastik abgedeckt, frische Kakaobohnen zur Fermentation ausgelegt. Als er die Plane zurückschlägt, steigt ein intensiver Geruch nach Essigsäure und Kakao von den Bohnen auf, die noch in den Fruchtständen sitzen. Daneben ruhen fertig fermentierte Bohnen zum Trocknen auf dem Boden.

    Was idyllisch aussieht, kommentiert Shapiro mit einem Wort: “Entsetzlich.” Mit dem geschärften Blick des Agrarforschers erkennt er schnell, dass Traoré fast alles falsch macht, was im Kakaoanbau falschlaufen kann. Die Bäume, die eigentlich ähnlich wie Apfelbäume gepflegt werden müssten, seien vermutlich noch nie beschnitten worden, sagt er. Das dichte Blätterdach halte Feuchtigkeit am Boden und begünstige das Wachstum von Pilzen.

    Die etwa sechstägige Fermentation der Bohnen, bei der die typischen Kakaoaromen entstehen, sähe der Experte viel lieber traditionell unter Bananenblättern als unter Plastik. Das Trocknen am Boden sei unhygienisch und ineffektiv.

    Tatsächlich produziert Traoré nur etwa 300 Kilogramm Kakaobohnen pro Hektar. Mit guter Agrartechnik ließe sich die Ernte des Bauern leicht verfünffachen, meint Shapiro. Unter experimentellen Bedingungen hat der Forscher schon bis zu sechs Tonnen Kakao pro Hektar geerntet.

    Zudem ist ein Teil von Traorés Bäumen vom sogenannten Cacao Swollen Shoot-Virus (CSSV) befallen. Bei der Krankheit schwellen Abschnitte des Stamms an, vermutlich, weil Pflanzengefäße gleichsam abgewürgt werden. Langsam rafft es den Baum dahin. Kahl recken Traorés abgestorbene Exemplare die Äste gen Himmel.

    Das Problem: CSSV wird leicht übertragen. “Diese Krankheit könnte die gesamte ivorische Kakaowirtschaft zugrunde richten”, warnt Shapiro. Er hat so etwas schon erlebt. In Brasilien, einst ein führender Kakaoanbauer der Welt, zerstörte die Pilzkrankheit “Hexenbesen” in den Neunzigerjahren fast die gesamte Branche.

    So weit soll es in Westafrika nicht kommen. Und deshalb ist Pflanzenforschung der erste Pfeiler des Kakaorettungsprojekts. Weltweit fahnden Forscher nach krankheitsresistenten Bäumen. Erste Erfolge gibt es. Shapiro selbst war zum Beispiel an der Entdeckung einer Resistenz gegen den Hexenbesen beteiligt. In Costa Rica wachsen bereits erste, gegen den tödlichen Pilz gefeite Bäume.

    Auch für die Javanische Kakaomotte, den schlimmsten Kakaoplagegeist in Asien, und für CSSV suchen die Experten noch händeringend nach Gegenwehr. Shapiro würde gern mehr Biotechnologie einsetzen. CSSV etwa, so glaubt er, ließe sich mit Gentechnik besiegen. “Ich weiß zwar, dass diese Techniken sicher sind”, sagt er, “aber niemand wird riskieren, dass die gentech-kritischen Europäer ihren Markt für Kakaobohnen aus Westafrika schließen.”

    Die Kakaorettungspakete der Schokofirmen setzen daher auf konventionelle Agrartechnik. Die Firmen wollen die Erträge erhöhen und die Lebensbedingungen der Bauern verbessern – der zweite Pfeiler der Kakaoaktion. Andernfalls, so die Befürchtung, könnte so mancher Kleinbauer den Anbau bald ganz aufgeben.

    “Viele Bauern überlegen, statt in Kakao in Kautschuk oder Palmöl zu investieren”, sagt Nicko Debenham, Nachhaltigkeitsexperte von Barry Callebaut. Junge Kakaobauern, berichtet er, ließen ihre Farmen sogar häufig ganz im Stich und zögen in die Städte. Um die Bauern zu halten, sei es unumgänglich, die Einkommen zu erhöhen. Dann, so Debenhams Hoffnung, könnten sich viele Probleme erledigen, so zum Beispiel auch das der Kinderarbeit.

    Denn dass auf den Farmen Westafrikas so viele Kinder arbeiten, ist meist aus der Not geboren. “Kakaoanbau ist sehr arbeitsintensiv”, sagt Debenham. Erwachsene Helfer aber könnten die meisten Bauern nicht bezahlen. Die Ernte bleibe daher oftmals “Familienangelegenheit”.

    Debenham setzt darauf, die Bauern besser auszubilden und die Gemeinden zu stärken. Genau das ist auch das Ziel von Shapiros Mars-Mission. Die Icraf-Experten bilden in den Dörfern sogenannte Kakao-doktoren aus.

    Joel Yao Kouadio ist einer von ihnen. Der junge Ivorer hat gelernt, wie man Kakaobäume pflanzt, pflegt und beschneidet und wie sich Krankheiten abwehren lassen. Jetzt öffnet er in Petit Bondoukou jeden Tag die Türen eines hellblau lackierten Containers, den er zum Mini-Gartencenter ausgebaut hat.

    Auf den Regalen von Kouadios Laden stapeln sich Pflanzenschutzmittel und Werkzeuge. Dünger liegt in großen Säcken in der Ecke. Außerdem hilft er direkt auf den Kakaofarmen. Für den 25-jährigen Jungbauern Dramane Sogodogo hat Kouadio zum Beispiel einige alte Bäume auf einem Feld in der Nähe mit einer klassischen Technik verjüngt: dem Pfropfen.

    An einem Baum demonstriert Kouadio das Verfahren. Mit einem Messer öffnet er zunächst die Rinde. Dann steckt er einen sogenannten Pfropfreiser in die Baumwunde. Den etwa 20 Zentimeter langen Trieb hat er zuvor von einem jungen, besonders produktiven Kakaobaum geschnitten.

    Kouadio umwickelt den Pfropf mit Plastikfolie, um ihn vor dem Austrocknen zu bewahren. Am Schluss rollt er ein Kakaoblatt zu einem Hütchen und setzt es als Schattenspender auf den frischen Ast. “In zwei bis drei Wochen ist der Pfropf angewachsen”, erläutert Shapiro, dann werde der alte Stamm entfernt, und nach drei Jahren trage der Baum “fünfmal so viele Früchte” wie zuvor.

    “Wenn sich diese Technik als sicher erweist, könnte ein Großteil aller Kakaobäume in der Elfenbeinküste innerhalb der nächsten zehn Jahren verjüngt werden”, schwärmt Shapiro. Deswegen produziert die Icraf in großer Zahl Pfropfreiser in sogenannten Klongärten. Sorgsam ausgewählte Kakaobäume wachsen dort heran. Bis zu 100 Jungbrunnen-Triebe jährlich lassen sich von einer einzigen dieser Pflanzen gewinnen.

    Noch muss Shapiro allerdings die Regierung überzeugen. Massandjé Touré-Litsé, die ebenso mächtige wie resolute Chefin des ivorischen Conseil du Café-Cacao, befürchtet, dass sich im Gepäck der Pfropfreiser CSSV verbreiten könnte. Auch der ersehnte Erntezuwachs hat für Touré-Litsé eine Kehrseite. Gibt es mehr Kakao, könnten die Weltmarktpreise fallen.

    Doch Widerstand spornt Shapiro eher an. Am Abend sitzt er in der Provinzstadt Soubré mit den Chefs einer weiteren Kakaokooperative zusammen. Die Entreprise cooperative agricole de Soubré passt ideal in Shapiros Nachhaltigkeitskonzept. 1300 Bauern haben sich hier zusammengeschlossen. 3000 Tonnen zertifizierten Kakaos produzieren sie jährlich. Pro Kilo erhalten sie dafür umgerechnet etwa 1,30 Euro. Ein paar Cent extra bringt ihnen die UTZ-Zertifizierung. Mit den Überschüssen hat die Kooperative zwei Schulen und ein Warenlager gebaut. Kleinkredite für die Bauern gehören zum Service.

    Doch Shapiro reicht das nicht. Wie hoch die Ernte sei, fragt er in den Raum. Im Schnitt 500 Kilogramm Kakaobohnen pro Hektar, lautet die Antwort. Shapiro springt auf: “Wollt ihr 1500 bis 2000 Kilo pro Hektar?”, ruft er und erntet ungläubige Blicke.

    Der Mann von Mars will der Kooperative einen Klongarten schenken, damit die Bauern ihre Bäume verjüngen können. Per Handschlag wird der Deal besiegelt.

    Kann Shapiros Konzept aufgehen? Die Situation der Kakaobauern hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Die Regierungen der Elfenbeinküste und Ghanas bestimmen seit Kurzem jedes Jahr einen Festpreis für Kakao, der die Bauern weniger abhängig von den Schwankungen des Weltmarktpreises macht.

    Und tatsächlich wächst auch der Anteil nachhaltig produzierten Kakaos. “Wir werden in diesem Jahr fünfmal mehr Kakao verkaufen als noch im vergangenen Jahr”, berichtet etwa Dieter Overath vom Verein Transfair, der in Deutschland das Fairtrade-Siegel vergibt. Am Ziel befinde man sich aber noch nicht. “Die Schokoladenindustrie hat die Probleme zu lange ignoriert”, sagt Overath. Immer noch seien fast 80 Prozent des Kakaos überhaupt nicht zertifiziert. Gerade Markenartikler wie Milka, Lindt oder Ritter Sport würden sich bislang nur halbherzig oder gar nicht engagieren.

    Dabei kommen die Firmen um Nachhaltigkeit eigentlich nicht mehr herum. “Wer langfristig in diesem Geschäft bleiben will, muss in die Bauern investieren”, sagt Peter Boone von Barry Callebaut. Um sich im Markt zu behaupten, werde es zudem immer wichtiger, “die Geschichte hinter der Schokolade” zu erzählen, sagt er.

    Im belgischen Wieze lässt sich das beste Beispiel für die Qualitätsoffensive direkt neben der Schokoladenfabrik besichtigen. In Callebauts “Chocolate Academy” lernen etwa tausend Chocolatiers und Pâtissiers jährlich alles über Schokolade, “ein wundervolles, komplexes Produkt”, wie es Akademiechef Alexandre Bourdeaux sagt. Für den Belgier ist die Herstellung von Pralinen oder Schokoladenskulpturen Kunstform und Wissenschaft zugleich.

    Bourdeaux kennt sich bestens aus mit dem “Winnower”, einer Maschine, die die Schalen der gerösteten Kakaobohnen von den Kernen trennt, oder mit der “Conche”, in der die Schokoladenmasse bis zu zwölf Stunden lang geschmeidig gequirlt wird. Mit seinen Schülern diskutiert er den Säuregehalt von Schokolade oder die “Kristallisationskurve”, die beschreibt, wie die Süßigkeit aushärtet, ohne dabei ihren Glanz zu verlieren.

    Kein Wunder, dass Bourdeaux auch ein spezielles Verhältnis zu den Bohnen hat. “Ohne Qualitätsbohnen keine Qualitätsschokolade”, sagt der Chef-Chocolatier: “Für uns ist es essenziell, was wir aus den Produktionsländern bekommen.”

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  • Satter als satt

    Dhanshakti-Hirse
    Dhanshakti-Hirse

    Fast jeder dritte Mensch ist mangelernährt. Doch nun bahnt sich eine neue Grüne Revolution an: Vielfalt auf dem Acker und Sortenzucht ohne Gentechnik sollen den Welthunger besiegen. Ein Großprojekt in Indien weist den Weg.

    Von Philip Bethge

    Die Hirse heißt “Dhanshakti”, zu Deutsch “Reichtum und Stärke”. Zumindest den Reichtum wagt Devran Mankar nicht mehr zu erwarten in seinem Leben. Ein Segen ist das Getreide trotzdem für den Kleinbauern: Es hält seine Familie satt und gesund.

    “Seit wir diese Hirse essen, sind die Kinder seltener krank”, schwärmt Mankar, ein schmaler Mann mit grauem Bart, zerschlissenem Gewand und Goldrandbrille.

    Sehr nahrhaft sei das Getreide, berichtet der Inder, während Enkelin Kavya auf seinem Schoß herumturnt. Und lecker sei es noch dazu: “Sogar dem Vieh schmeckt die Hirse.”

    Mankars Feld am Rande des Dorfs Vadgaon Kashimbe im Bundesstaat Maharashtra ist kaum 100 Meter breit und 40 Meter lang. In einem Monat wird das Getreide reif sein. Wenn kein Hagelsturm kommt – und Ganesha, der Elefantengott, möge es verhindern -, werde er dann etwa 350 Kilogramm Hirse ernten, sagt der Bauer, genug für ein halbes Jahr.

    Mankar und seine Familie nehmen teil an einem groß angelegten Ernährungsexperiment im Westen Indiens. Als einer von rund 30 000 Kleinbauern pflanzt der Inder Dhanshakti-Perlhirse an, ein Getreide, das es in sich hat: In den Körnern steckt ungewöhnlich viel Eisen und Zink. Indische Forscher haben der Pflanze diesen hohen Gehalt an Spurenelementen angezüchtet. “Bioverstärkung” nennen sie das.

    Das Ziel des von der Ernährungshilfeorganisation Harvest Plus initiierten Projekts: Bauern wie Mankar und ihre Familien sollen nicht mehr Hunger leiden.

    Die Dhanshakti-Hirse ist Teil einer neuen Grünen Revolution, mit der Bioforscher und Ernährungsexperten die Erde von Hunger und Mangelernährung befreien wollen. Immer noch werden weltweit 870 Millionen Menschen nicht satt. Und fast jeder Dritte leidet unter dem sogenannten versteckten Hunger, einem Mangel an Vitaminen und Spurenelementen wie Zink, Eisen oder Jod.

    Die Folgen sind vor allem für Mütter und Kinder dramatisch: Frauen mit Eisenmangel sterben öfter im Kindbett, haben mehr Frühgeburten und Menstruationsprobleme. Mangelernährte Kinder können erblinden oder leiden unter Wachstumsstörungen. Sie sind zeitlebens anfälliger für Infektionen und lernen schlecht, weil sich ihr Gehirn nicht richtig entwickelt.

    “Diese Kinder werden von Geburt an ihrer Zukunft beraubt”, sagt der indische Agrarwissenschaftler Monkombu Swaminathan, der seit mehr als 60 Jahren für das “fundamentale Menschenrecht” auf Sattsein arbeitet. Um das Hungerproblem endlich zu lösen, fordert Swaminathan zusammen mit anderen Ernährungsexperten eine neue Agrarwende. Nicht industrielle Hightechlandwirtschaft, sondern naturnaher Landbau, intelligente Pflanzenzucht und die Rückbesinnung auf alte Sorten sollen den Hunger ausrotten.

    Die Welt hat genug zu essen. Nur: Für die Armen, die sich überwiegend von Getreide ernähren, ist es das falsche Essen. Mais, Weizen, Reis, die vor allem auf Ertrag und nicht auf Nährstoffgehalt gezüchteten Sorten der industriellen Landwirtschaft, können die Ärmsten nicht ausreichend versorgen. Denn sich satt zu essen genügt nicht, um gesund zu bleiben. Nährstoffe und Spurenelemente sind mindestens so wichtig wie Kalorien.

    Ernährungssicherheit entstehe durch Vielfalt, sagt Swaminathan und fordert eine nachhaltige “Evergreen”-Revolution. Neue, nahrhaftere und klimatisch besser angepasste Getreidesorten müssten her. “Wir müssen Landwirtschaft wieder mit Ernährung verheiraten; beides war viel zu lange getrennt”, so der Forscher.

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    Swaminathan, 88, gilt als Vater der indischen Grünen Revolution in den Sechzigerjahren. Die Wände seines Büros in der Großstadt Chennai an der Ostküste des Landes hängen voll mit Ehrungen und Urkunden. “Indias Greatest Global Living Legend” steht auf einer. 1987 erhielt er den Uno-Welternährungspreis.

    Swaminathan schuf damals Reis- und Weizensorten, die kleiner waren als gewohnt, dadurch jedoch weit ertragreicher; zudem arbeitete er mit mischerbigen Pflanzen, die bis zu doppelt so produktiv sind wie ihre Elterngeneration.

    “Der Erfolg der Grünen Revolution war gewaltig”, berichtet Swaminathan. Als Jugendlicher habe er noch den “Bengalischen Hunger” erlebt, der Mitte der Vierzigerjahre Millionen Inder dahinraffte. “Damals wuchs auf einem Hektar Land weniger als eine Tonne Getreide”, sagt Swaminathan. Inzwischen habe sich der Hektarertrag mehr als verdreifacht.

    Doch zu welchem Preis? Die neuen Hochleistungssorten garantierten zwar hohe Ernteerträge, laugten jedoch auch die Böden aus und verbrauchten viel zu viel Wasser. Immer mehr Dünger und Pestizide waren nötig. Viele Kleinbauern verloren alles, weil sie erst investierten und dann ihre Ernte nicht mit Gewinn verkaufen konnten. Den Anbau traditioneller Brotgetreide vernachlässigten sie.

    “Früher ernährten sich die Bauern von 200 bis 300 Feldfrüchten”, sagt Swaminathan. Heute gebe es nur noch “vier oder fünf wichtige Sorten”. “Die Grüne Revolution”, klagt der Forscher, “hat den Hunger nicht ausgemerzt.”

    In Indien ist das Problem besonders dringlich. An die 250 Millionen Menschen, ein Fünftel der Bevölkerung, sind unterernährt. 50 bis 70 Prozent der Kinder unter fünf Jahren und die Hälfte aller Frauen leiden an Eisenmangel. Fast die Hälfte aller Kinder ist körperlich unterentwickelt oder sogar verkrüppelt, weil sie chronisch unter- und mangelernährt sind.

    Vor allem im Bundesstaat Maharashtra ist die Lage prekär. Am frühen Morgen geht es zusammen mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Bushana Karandikar aus der Bhagwhan-Hochburg Pune (ehemals Poona) hinaus aufs Land. Die Inderin treibt das Dhanshakti-Projekt für die Organisation Harvest Plus voran. “Die Mangelernährung ist die traurige Seite des indischen Aufschwungs”, erzählt sie während der Fahrt. “Es ist sehr überraschend, aber wir teilen das Problem mit den Ländern in Schwarzafrika, obwohl deren Pro-Kopf-Einkommen viel geringer ist.”

    Jetzt im Frühjahr ist Maharashtra grün. Mit seinen üppigen Feldern links und rechts der Straße und den Obstplantagen wirkt das Land fruchtbar. Zu besichtigen ist hier “Indiens Rätsel”, wie Forscher Swaminathan es nennt: “grüne Berge und hungrige Millionen”.

    Im Ort Ghodegaon wird schnell deutlich, woran es mangelt. An einer unbefestigten Straße, vor der 15-Betten-Klinik des Ortes, warten Männer, Kinder, vor allem aber junge Frauen in bunten Saris. Die Schuhe bleiben vor der Tür, an den Wänden hängen Götterporträts, umrankt von Blumenketten.

    Der Arzt Rajneesh Potnis empfängt im ersten Stock, reicht würzigen Kaffee und Süßes. 25 Jahre arbeitet Potnis schon hier. Die Studienkollegen hielten ihn für verrückt, als er nach Ghodegaon ging. Doch Potnis wollte helfen. Nun berät er stillende Mütter, hilft Kindern auf die Welt, behandelt Rachitis, Nachtblindheit und Blutarmut.

    “Den Frauen geht es am schlechtesten”, sagt der Arzt, “sie essen das, was übrig bleibt, und arbeiten zugleich am härtesten.” In der Folge erlitten sie Früh- und Totgeburten, Infektionen, Schwächeanfälle. Am schlimmsten seien die ethnischen Minderheiten betroffen, die am Rand der Gesellschaft leben. “Sie kommen erst, wenn es gar nicht mehr anders geht.”

    Potnis verteilt Mineral- und Vitaminpillen, die der indische Staat subventioniert; er rät den Familien zu vielseitiger Ernährung. Oft vergebens, erzählt der Arzt. “Es ist so einfach, den Leuten zu sagen: Esst mehr Hülsenfrüchte, mehr Gemüse und Eier – die meisten können sich das alles aber gar nicht leisten.”

    Hier kommt die bioverstärkte Hirse ins Spiel: Die Bauern bauen in der Gegend schon immer Hirse an. Warum dann also nicht einfach die traditionelle Hirsesorte durch die Dhanshakti-Hirse ersetzen? “Dann bekommen die Leute ihre Mineralien aus dem Brot, das sie ohnehin jeden Tag essen”, schwärmt Potnis.

    So wie im nahen Ort Vadgaon Kashimbe bei der fünfköpfigen Familie von Ramu Dahine: Schwiegertochter Meena backt heute das Bhakri, das traditionelle Fladenbrot aus Hirse. Im roten Sari kauert sie auf dem Boden vor dem kleinen wellblechgedeckten Steinhaus. Die Frau nimmt Hirsemehl und Wasser, knetet den Teig, legt den Fladen in eine Pfanne und bläst die Glut eines Holzfeuerchens mit einem langen Blasrohr an, bis die Flammen züngeln.

    Zweimal am Tag essen die Dahines das Brot. Beilagen gibt es kaum. Die Hirse habe der Saatguthändler empfohlen, berichtet der Bauer. Dass das Getreide mehr Eisen enthält, weiß er gar nicht. Und doch ist ihm aufgefallen, dass die Familie gesünder durch die letzte Regenzeit kam.

    Und die Hirse hat einen weiteren Vorteil: Weil sie keine Hybridsorte ist, kann der Bauer einen Teil der Ernte für die Aussaat in der nächsten Saison verwenden.

    “Für die Ärmsten der Armen ist diese Hirse eine große Hoffnung”, sagt Bhushana Karandikar. Zumal das Getreide wirkt: Schweizer Forscher zeigten, dass Dhanshakti-Hirse bei Frauen den Eisengehalt im Blut deutlich erhöhte. Indische Forscher belegten, dass schon täglich 100 Gramm der Hirse den Eisenbedarf von Kindern komplett abdecken können.

    Für die Verfechter der neuen, sanften Grünen Revolution ist das ein weiterer Erfolg auf ihrem Feldzug gegen den Hunger. Weltweit arbeiten Ernährungsspezialisten an nahrhafteren Getreide- und Gemüsesorten. In Brasilien etwa entwickelt die Forschungsorganisation Embrapa bioverstärkte Bohnen und Kürbisse sowie bioverstärkten Maniok. In Uganda und Mosambik pflanzen Bauern eine Provitamin-A-reiche Süßkartoffel an. In Ruanda essen mehr als 500 000 Familien mit Eisen angereicherte Bohnen. In Indien soll es neben der Dhanshakti-Hirse bald Reis und Weizen mit besonders hohem Zinkgehalt geben.

    Etwa sieben Millionen Männer, Frauen und Kinder habe man bereits erreicht, sagt Howarth Bouis, Chef des Harvest-Plus-Programms. Bis 2030 sollen eine Milliarde Menschen von bioverstärktem Getreide profitieren. Dass der Plan aufgehen könnte, liegt auch daran, dass Bouis schon früh entschied, die neuen Sorten ausschließlich konventionell zu züchten. “Wir haben uns gegen Gentechnik entschieden, weil wir der Kontroverse aus dem Weg gehen wollten”, sagt er. Zu gut erinnert sich der Harvest-Plus-Chef an den Streit um den sogenannten Goldenen Reis.

    Das schon seit 1992 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich entwickelte transgene Gewächs enthält fast doppelt so viel Betacarotin, die Vorstufe von Vitamin A, wie normaler Reis. Trotzdem wurde es bis heute nirgendwo auf der Welt zugelassen. Der öffentliche Widerstand gegen die Gentechnik ist zu groß.

    Ohnehin ist gentechnische Trickserei in vielen Fällen überflüssig. Denn häufig gibt es natürliche Sorten, deren Körner die erwünschten Vitamine oder Nährstoffe bereits enthalten. Gerade Reis ist dafür ein gutes Beispiel: Etwa 100 000 Sorten existieren auf der Erde. “Da lässt sich fast jede Eigenschaft finden, die man sich vorstellen kann”, sagt Swaminathan. In den Labors seiner M. S. Swaminathan Research Foundation (MSSRF) in Chennai tüfteln Forscher zum Beispiel an Reis mit hohem Zinkgehalt. Tausende Reislinien haben die Biologen dafür analysiert. Schließlich fand sich ein gutes Dutzend besonders zinkhaltiger Sorten. Diese werden nun mit solchen Sorten gekreuzt, die hohen Ertrag versprechen.

    Swaminathan hält allerdings auch den Hightechweg für geeignet, den Hungernden zu helfen. “Ich werde Gentechnik weder feiern noch rundweg ablehnen”, sagt er. “Es ist wichtig, alle Werkzeuge zu nutzen, traditionelles Wissen und moderne Wissenschaft.”

    Der Eisengehalt beispielsweise lasse sich in Reis nur schwer mithilfe konventioneller Zucht erhöhen. Stattdessen versuchen es die Forscher in der Petrischale. “Wir haben Gene der Mangrove isoliert und in die Reispflanzen eingeschleust”, erläutert Ganesan Govindan, einer der Biotechnologen an MSSRF. Die transgenen Reiskörner enthalten mehr Eisen. Gleichzeitig sind die Pflanzen salz- und trockentoleranter als zuvor. In zwei bis drei Jahren soll die Sorte marktreif sein.

    Gerade solche Hightechlösungen sind jedoch umstritten. In Indiens Hauptstadt Neu-Delhi lebt Vandana Shiva, eine profilierte Gegnerin der modernen Agrartechnik. Das Büro ihrer Organisation Navdanya liegt in Hauz Khas, einem der wohlhabenderen Stadtviertel. Blumen sind auf einem Glastisch hergerichtet. In der Ecke stehen Tonvasen mit Getreidegarben.

    Shiva, im wallenden Gewand und mit großem Bindi auf der Stirn, ist eine beeindruckende Erscheinung, gestählt durch den jahrzehntelangen, zähen Kampf mit dem Establishment. Die Bürgerrechtlerin wird nicht müde, die Saatgutkonzerne zu geißeln. “Eine global operierende Industrie versucht mit allen Mitteln, die Welt von ihren Produkten abhängig zu machen”, schimpft sie. Bauern, die einmal umgestiegen seien, würden ihr traditionelles Saatgut aufgeben und müssten die kommerziellen, oft mit Lizenzgebühren belegten Sorten fortan immer und immer wieder kaufen.

    “Diese Art von Landwirtschaft hat in Indien 25 000 Bauern in den Selbstmord getrieben, weil sie ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten”, sagt Shiva. Selbst von den bioverstärkten Sorten hält sie nichts. “Die Züchter dieser Pflanzen konzentrieren sich auf jeweils einen einzigen Nährstoff”, kritisiert sie, “dabei braucht der Körper alle diese Spurenelemente.”

    Statt solcher “Monokulturen” fordert Shiva die Rückkehr zur Vielfalt auf dem Acker. “Die meisten unserer traditionellen Sorten sind voll mit Nährstoffen”, sagt sie. Warum einen Goldenen Reis mit viel Vitamin A erschaffen, wenn Möhren und Kürbis genug davon enthielten? Warum an gentechnisch veränderten Bananen mit hohem Eisengehalt arbeiten, wenn Meerrettich oder Amaranth ohnehin so viel Eisen enthielten?

    Shiva empfiehlt Fruchtfolgen auf dem Acker, Gemüse- und Obstgärten sowie kleine Familienfarmen, deren Hauptziel Ernährung und nicht Gewinnmaximierung ist. 75 000 Bauern hat ihre Organisation seit Ende der Achtzigerjahre im Biolandbau ausgebildet – für Shiva der einzig richtige Weg, den Hunger zu besiegen.

    Doch kann Ökolandbau tatsächlich die Lösung sein? Harvest-Plus-Direktor Bouis hält Shivas Ansatz für naiv. “Wir haben das fundamentale Problem, dass wir zu wenig fruchtbares Land für eine ständig wachsende Bevölkerung haben”, sagt er.

    70 Prozent mehr Kalorien als heute wird die Landwirtschaft 2050 produzieren müssen, um dann 9,6 Milliarden Menschen zu ernähren, prophezeit ein Report des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Diese “Ernährungslücke” könne nur geschlossen werden, sagt Bouis, “wenn die Landwirtschaft noch produktiver wird”.

    Vor Ort in Maharashtra allerdings wird deutlich, dass dafür nicht immer kraftstrotzendes Supergetreide notwendig ist. Einem dritten Bauern aus dem Ort Vadgaon Kashimbe, Santosh Pingle, und seiner Familie geht es sichtbar besser als seinen Nachbarn. Das Haus ist verputzt. Kühe und Ziegen versorgen die Familie mit Milch. Manchmal gibt es sogar Huhn vom Markt. Pingles Erfolgsrezept: Der 38-Jährige hat mehr gemacht aus seinem Land.

    Auf einem halben Hektar pflanzt der Bauer die eisenreiche Dhanshakti-Hirse für den Eigenbedarf der fünfköpfigen Familie an. Die andere Hälfte seines Ackerlands ist mit Tomaten und besonders ertragreicher Hybridhirse bestellt. Beides verkaufen die Pingles auf dem Markt.

    Gleichzeitig gedeihen im Hausgarten eiweißreiche Bohnen und anderes Gemüse. Zitronen, Kokosnüsse und Mangos erntet Ehefrau Jayashree mit ihren Töchtern mehrfach im Jahr.

    “Reichtum und Stärke” – die Pingles sind inzwischen auf einem guten Weg dahin. Und genug zu essen haben sie allemal.

  • Miracle Crop: India’s Quest to End World Hunger

    Miracle Crop: India’s Quest to End World Hunger

    Over one third of humanity is undernourished. Now a group of scientists are experimenting with specially-bred crops, and hoping to launch a new Green Revolution — but controversy is brewing.

    By Philip Bethge

    It may not make his family wealthy, but Devran Mankar is still grateful for the pearl millet variety called Dhanshakti (meaning “prosperity and strength”) he has recently begun growing in his small field in the state of Maharashtra, in western India. “Since eating this pearl millet, the children are rarely ill,” raves Mankar, a slim man with a gray beard, worn clothing and gold-rimmed glasses.

    Mankar and his family are participating in a large-scale nutrition experiment. He is one of about 30,000 small farmers growing the variety, which has unusually high levels of iron and zinc — Indian researchers bred the plant to contain large amounts of these elements in a process they call “biofortification.” The grain is very nutritional,” says the Indian farmer, as his granddaughter Kavya jumps up and down in his lap. It’s also delicious, he adds. “Even the cattle like the pearl millet.”

    –> Continue reading at DER SPIEGEL International

  • Oozing Biofuel: Algae Could Solve World’s Fuel Crisis

    Genetically modified blue and green algae could be the answer to the world’s fuel problems. Bioengineers have already developed algae that produce ethanol, oil and even diesel — and the only things the organisms need are sunlight, CO2 and seawater.

    Biochemist Dan Robertson’s living gas stations have the dark-green shimmer of oak leaves and are as tiny as E. coli bacteria. Their genetic material has been fine-tuned by human hands. When light passes through their outer layer, they excrete droplets of fuel.

    “We had to fool the organism into doing what I wanted it to do,” says Robertson, the head of research at the US biotech firm Joule Unlimited. He proudly waves a test tube filled with a green liquid. The businesslike biochemist works in a plain, functional building on Life Sciences Square in Cambridge, Massachusetts.

    His laboratory is sparsely furnished and the ceiling is crumbling. Nevertheless, something miraculous is happening in the lab, where Robertson and his colleagues are working on nothing less than solving the world’s energy problem. They have already created blue algae that produce diesel fuel.

    Scientists rave about a new, green revolution. Using genetic engineering and sophisticated breeding and selection methods, biochemists, mainly working in the United States, are transforming blue and green algae into tiny factories for oil, ethanol and diesel.

    Betting Millions on Algae

    A green algae liquid sloshes back and forth in culture vats and circulates through shiny bioreactors and bulging plastic tubes. The first tests of algae-based fuels are already being conducted in automobiles, ships and aircraft. Investors like the Rockefeller family and Microsoft founder Bill Gates are betting millions on the power of the green soup. “Commercial production of crude oil from algae is the most obvious and most economical possible way to substitute petroleum,” says Jason Pyle of the California-based firm Sapphire Energy, which is already using algae to produce crude oil.

    The established oil industry is also getting into the business. “Oils from algae hold significant potential as economically viable, low-emission transportation fuels and could become a critical new energy source,” says Emil Jacobs, vice president of research and development at Exxon Mobil. The oil company is investing $600 million (€420 million) in genetic entrepreneur Craig Venter’s firm Synthetic Genomics.

    (-> read original interview at SPIEGEL ONLINE international)

    The technology holds considerable promise. Indeed, whoever manages to be the first to sell ecologically sustainable and climate-neutral biofuel at competitive prices will not only rake in billions, but will also write history.

    Do-it-yourself diesel barons launched the biofuel industry decades ago when they used old French-fry grease to fuel modest agricultural machines. Today, hundreds of thousands of cars run on ethanol derived from grain. In the United States, for example, more than 40 percent of gasoline contains ethanol additive. The fuel is produced in huge fermenters the size of blimps, by fermenting a mash of corn or rye with yeast.

    But ethanol as a biofuel has a bad reputation. One hectare (2.47 acres) of corn produces less than 4,000 liters of ethanol a year, and 8,000 liters of water are required to produce a liter of ethanol. Besides, crops grown for ethanol take away valuable farmland for food production. The last growing season marked the first time US farmers harvested more corn for ethanol production than for use as animal feed. One of the adverse consequences of the biofuel boom is that it is driving up food prices.

    Astonishingly Productive

    For this reason, many environmentalists now believe that growing energy plants is the wrong approach. Algae, on the other hand, do not require any farmland. Sun, saltwater, a little fertilizer and carbon dioxide are all the undemanding little organisms need to thrive. And because they consume about as much CO2 during photosynthesis as is later released when the oil they produce is burned, algae-based fuels are also climate neutral.

    Algae are also astonishingly productive. A hectare of sunny desert covered with algae vats can yield almost eight times as much biofuel per unit of biomass in a year than corn grown for energy purposes.

    Sapphire is one of the pioneers of the industry. CEO Pyle has a vision of transforming desert areas into fertile, energy-producing land. “We have to grow algae like rice, in shallow patties of water on thousands of hectares,” he says. This, he says, is the only way to produce algae-based oil in large quantities and at competitive prices.

    Sapphire expects one barrel of its green petroleum to cost between $70 and $100 in the future, which is significantly cheaper than petroleum. However, as with grain production, this requires the use of high-performance varieties. According to Pyle, his company has optimized the yield, resistance to disease and “harvest capability” of the green algae it uses. Sapphire’s engineers are already testing their green miracle algae at a small plant in New Mexico. Together with Monsanto, which produces agricultural chemicals, and industrial gas company Linde, the algae makers plan to explore commercial opportunities at a 120-hectare site soon.

    ‘We Simply Have to Build It’

    But the Sapphire algae can only be a beginning, because they merely enrich the oil internally. To obtain the oil, the algae must be harvested and the oil extracted in a costly and complex process.

    To overcome this obstacle, other scienty way to produce algae-based oil in large quantities and at competitive prices.

    Sapphire expects one barrel of its green petroleum to cost between $70 and $100 in the future, which is significantly cheaper than petroleum. However, as with grain production, this requires the use of high-performance varieties. According to Pyle, his company has optimized the yield, resistance to disease and “harvest capability” of the green algae it uses. Sapphire’s engineers are already testing their green miracle algae at a small plant in New Mexico. Together with Monsanto, which produces agricultural chemicals, and industrial gas company Linde, the algae makers plan to explore commercial opportunities at a 120-hectare site soon.

    ‘We Simply Have to Build It’

    But the Sapphire algae can only be a beginning, because they merely enrich the oil internally. To obtain the oil, the algae must be harvested and the oil extracted in a costly and complex process.

    To overcome this obstacle, other scientists are developing algae that don’t even have to be harvested. Instead, they essentially ooze the fuel of the future. Evolution has not yielded anything that produces biofuel from CO2 on a large scale, explains biologist Venter, “which is why we simply have to build it.”

    The first of these miracle organisms can already be admired in the Joule laboratory. The bioengineers’ tools include culture mediums, incubators and, most importantly, databases containing the DNA sequences of thousands of microorganisms. Robertson and his team search the databases for promising gene fragments, which they then isolate and inject into the genetic material of blue algae.

    ‘You Could Put Our Product in Your Car’

    Dozens of varieties of the microorganisms, also known as cyanobacteria, bob up and down in bulbous beakers at Joule. A green brew fills small photobioreactors, which are used to test the blue algae under various environmental conditions. “Here we simulate for example the day-and-night rhythm of Texas,” says Robinson, explaining one of the experiments. The company has a pilot plant in Texas.

    The program is as complex as it is costly. Nevertheless, success appears to be proving the genetic engineers right. The microbiologists at Joule have created blue algae strains that pump so-called alkanes outward through their membranes. Alkanes are energy-rich hydrocarbons contained in diesel fuel. “You have to persuade the cell that it stops growing and makes the product of interest and does it continuously,” Robinson explains. In contrast to ethanol, the end product is not a low-quality fuel, but a highly pure product that contains no sulfur or benzene. “You could put our product in your car,” says Robinson.

    The laboratory algae are now doing their work in high-tech bioreactors, where carbon dioxide is constantly bubbling through shimmering green panels that look like solar collectors. Robertson’s ultimate goal is to derive about 140,000 liters of biofuel a year from one hectare of land — a yield 40 times as high as with corn grown for ethanol. Joule has bought about 500 hectares of desert land in New Mexico to build a first commercial plant.

    Large Amounts of CO2 Required

    But will the laboratory creations really work as well in open fields as they do in the lab? Calculations show that some algae plants will likely consume more fertilizer and energy per hectare than grain crops. And the carbon dioxide in the air won’t be enough to feed the microalgae. Scientists estimate that a commercial algae fuel plant would require about 10,000 cubic meters of CO2 a day. Whether and how large amounts of the gas could be derived from the exhaust gases of large coal power plants, for example, and then brought to the algae farms, remains unclear.

    The farms could also require enormous tracts of land. In a recent article in the journal Science, researchers at Wageningen University in the Netherlands calculated that, in theory, an area the size of Portugal would have to be filled with algae pools to satisfy Europe’s current fuel needs. A “leap in microalgae technology” is needed to at least triple productivity, say experts.

    Pyle and Robertson are convinced that this increase is possible. They insist that algae technology can be used to meet a significant portion of our energy requirements in the future. “There is certainly enough non-arable land with enough solar radiation and enough CO2 and water sourcing in the world,” says Robertson. Another important advantage, he adds, is that algae-based fuel could easily be pumped into the oil industry’s existing pipelines and refineries, and that cars and aircraft would not have to be modified to accommodate the biofuel.

    But even the pioneers admit that the switch to algae-based fuel will likely take a while longer. Sometimes completely mundane things still stand in the way of the green revolution.

    The algae growers at Sapphire, for example, face competition from little 10-legged creatures. “Shrimp think algae are good food,” says CEO Pyle. “If you don’t pay attention, you will ultimately have a shrimp farm.”

    Translated from the German by Christopher Sultan

    (-> read original interview at SPIEGEL ONLINE international)

  • Grow Your Own Skyscraper

    Three young German architects are designing structures made completely out of living trees, including a pavilion for concerts in downtown Stuttgart. But designing the ultimate treehouse turns out to be trickier than one might expect.

    By Philip Bethge

    Ferdinand Ludwig grows trees on trees. That’s what he does. And he has grafted together — trunk to top, top to trunk — seven young willow trees

    At the moment a scaffold supports the young architect’s unusual tree tower. The roots of individual trees protrude sideways and into containers of soil. But soon the roots will be cut off. And “at that point,” the young architect says, “the trees will finally have merged into a single organism.”

    Ludwig calls this technique “plant addition.” To do it, he uses one-year-old willows that are thin and flexible but at least 10 meters (33 feet) long. Once the willows have matured to full strength, the strands will be able to support the eight-meter (26-foot) tower that Ludwig plans to begin building near Lake Constance in southern Germany at the end of July, as though they were steel beams.

    This is probably the biggest project to date within an innovative branch of architecture — no pun intended. Ludwig and fellow architects, Oliver Storz and Hannes Schwertfeger, call their new specialty “building botany.” As part of this the three men are building structures made from plants as well as studying the elasticity of plane trees and examining how effectively willows can grow around steel pipes at the University of Stuttgart’s Institute of Basics in Modern Architectural Design.

    “In our opinion trees are high-tech material, which is why plant growth is part of our vision,” says Schwertfeger. “We start them off but the tree itself continues the building process,” Ludwig adds. “In architectural terms it’s very risky — but it’s a positive risk.”

    Training trees to grow in all manner of decorative shapes is not new, it has been part of the skilled landscape gardener’s repertoire since the 13th century. And companies like the Israeli firm, Plantware, have perfected these techniques as they have shaped trees into fruit bowls, toilet paper holders and street lamps; they call their work “arborsculpture.” Now Stuttgart’s architectural rebels are taking the concept a step further. They consider the trees to be building materials similar to steel and concrete.

    “The basic rule is this: All forces pass through the wood, from top to bottom,” Schwertfeger explains. And the trio has already built their first structures. For example on Lake Constance where a group of willows surround a metal walkway. And in the Bavarian Forest, trees form a “diagonal support frame” for a bird watching station. And now the pioneers are planning to build a “green room” in downtown Stuttgart. The project, dubbed “Satellite,” will consist of a 120-square-meter (1,290-square-foot) pavilion for exhibitions and concerts.

    Meticulous Maintenance

    The basis of their work is always the same. First, the architects build a conventional support structure. Young, flexible trees are attached to the structure and bent into the desired shape. As the trees grow, they take on more and more of a load-bearing function. After a few years — and what Ludwig calls a “botanical certificate of fitness” inspection by a structural engineer — the support structure can be removed. At which point the roof and floors that have been inserted should be supported entirely by the trees.

    But that’s not quite as easy as it sounds. For instance, there is the “risk of strangulation” if metal fasteners obstruct the flow of sap. The architects have already had to tack on “sap bypasses” made from branches to keep their botanical building material alive. In addition, just like an ornamental garden, a tree structure requires meticulous maintenance. “Or else everything turns back into shrubbery,” Ludwig says.

    The architects are developing these methods on grounds belonging to a cultural association in northern Stuttgart. At the site, Ludwig is trying to figure out how best to “weld together” different trees while Storz tests the strength of basket willows. Two hundred trees are lined up in a straight row inside scaffolding that has concrete weights hanging from it. Four times a day, a system of computer-controlled winches use the weights to rock the trees back and forth in an elaborate pattern.

    ‘A Tree Doesn’t Want to Become a Wall’

    The tree-bending experiment is designed to solve a problem that the botany builders didn’t expect. They noticed that when trees were attached to a frame, they no longer seemed to have any reason to develop their own strength. However, the stresses of being bent this way, with the concrete weights, artificially stimulates growth and improves stability.

    “We have to subject ourselves to the tree’s own structural rules,” says Storz. For instance, trees are incapable of forming two-dimensional structures. “A tree doesn’t want to become a wall,” Ludwig adds.

    In other words, anyone who expects your everyday residential structure or functional building from these builders of the botanical will be disappointed. But it is precisely this divergence from classic architecture that fascinates the Stuttgart architects.

    The technique creates structures “that change quite considerably, that require one to adapt. Their uses change constantly too,” says Schwertfeger. “Each structure is a blend of fiction and reality,” notes the doctoral candidate, quickly adding that: “In our case, the fiction component is relatively high.”

    Unfortunately, everyday reality keeps catching up with this fascinating, abstract theory. One example: for the past few weeks Ludwig has had a problem that someone embarking on a career in building with trees can certainly do without. He has somehow developed an allergy to plane trees.

    Translated from the German by Christopher Sultan

    –> read original article at SPIEGEL Online International