Rentiere in Flammen
Rentiere in Flammen

Rentiere in Flammen

Wie gefährlich ist Weihnachten? Sehr! Von verletzten Seelen und Drogen im Lebkuchen ist zu berichten. Selbst Weihnachtsmann und Christkind bleiben nicht verschont.

Von Philip Bethge

Der Weihnachtsmann ist tot. Er verglühte bei dem Versuch, alle 378 Millionen Christen-Kinder der Erde binnen eines Tages zu beschenken.

Ein Schlitten, gezogen von 214 200 Rentieren, beladen mit 321 300 Tonnen Geschenken sei notwendig für den Job, hat Rod Morgan vom US State Department errechnet. Mit 3000facher Schallgeschwindigkeit müsse das Gefährt durch die Luft rauschen zwecks termingerechter Lieferung. Der dabei auftretende Luftwiderstand erhitze die Rentiere, bis sie in Flammen aufgehen: “Das ganze Rentierteam wird in 4,26 tausendstel Sekunden vaporisiert” – Santa inklusive.

“Wenn er jemals Weihnachtsgeschenke lieferte, ist Santa jetzt tot”, bilanziert Morgan, der im Internet über die Mission Impossible am Heiligen Abend aufklärt. Seine gar nicht frohe Botschaft: Weihnachten ist gefährlich. Sehr gefährlich – und nicht nur fürs Personal. Stapel medizinischer Literatur beweisen: Körper und Seele droht Ungemach, wenn wieder die Weisen aus dem Morgenland heraneilen.

Schon die Vorbereitung auf das Fest birgt jede Chance auf Schadensmeldung. “Vorweihnachtliches Trauma: Die Briefkasten-Guillotine” lautet etwa der treffliche Titel einer Fallstudie britischer Mediziner, die berichten, wie sich eine 59-Jährige beim Einwerfen von Weihnachtskarten die Fingerkuppe am Briefkastenschlitz amputierte. Von Trauma muss auch die Rede sein bei der Arbeit texanischer Forscher mit dem Titel “Begegnung mit der Wirklichkeit: Die Reaktion von Kindern auf die Entdeckung der Santa-Claus-Legende”. Das überraschende Ergebnis: Nicht die Kinder reagierten verstört, als sie erfuhren, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Traurig waren vielmehr die Eltern.

Zum Menü nimmt das Desaster seinen Lauf. Truthähne, die in der Mikrowelle explodieren, gehören jenseits des Atlantiks längst zur Folklore. Nachdenklich stimmen sollte auch der Fall eines Mannes, der auf

einem Gasbrenner zu Weihnachten Filet Mignon mit vier Tassen Brandy flambieren wollte. Der Hobbykoch hatte Glück: Einzig Augenbrauen und Nasenhaare nahmen ihm die Flammen.

Andere Weihnachtssitten wiederum scheinen geradezu dafür erdacht, Schaden anzurichten. Von einem 23-jährigen Dänen wird berichtet, der mit einer starken Schwellung am Hals beim Arzt erschien. Erst die Intensiv-Anamnese ergab: Der Mann hatte an einem Weihnachtsessen teilgenommen. Nach jedem Gläschen verpassten sich die Teilnehmer Handkantenschläge in die Nackenregion.

Zum Trost wird sich der Mann ein paar Lebkuchen genehmigt haben. Doch Eltern aufgepasst: Das feine Gebäck hat es in sich. Drogen wollen Prager Pharmakologen in der Leckerei ausgemacht haben. Weihnachtsgewürze wie Muskat, Zimt, Gewürznelken oder Anis enthielten Vorstufen des Suchtstoffes Amphetamin, berichten die Forscher. Der findet sich auch in Designerdrogen wie Speed.

Oh, du fröhliche Bescherung! Was die lieben Kleinen nicht alles schlucken können. Ganze Christbaumkugeln fanden sich schon in den Mägen der Racker. Überhaupt der Christbaum: Nicht nur geht er allerorten in Flammen auf. Seine Wirkung entfaltet er an den absonderlichsten Orten. Kanadische Mediziner etwa berichten von einem jungen Patienten, dessen Lunge sich über 18 Monate hinweg immer wieder entzündete. Erst eine Operation brachte Klarheit. Ein drei Zentimeter langer Fremdkörper fand sich im Lungengewebe: “Er glich dem Ende eines Tannenzweigs.”

“Dies ist der erste publizierte Fall eines eingeatmeten Weihnachtsbaums”, schrieben die Autoren – sie irrten. In Australien lebte ein Zweijähriger über ein Jahr lang mit einem Kunststoff-Christbaum im Rachen. Ärzte fanden das Gewächs in seinem Kehlkopf. Die Familie, dazu befragt, erinnerte sich an eine “Hustenepisode”.

Die Spitzenplätze der weihnachtlichen Morbiditätshitliste indes nehmen jene ein, die Anspruch auf den berüchtigten “Darwin Award” hätten, jenen Preis, den erhält, wer “den Genpool verbessert, indem er sich aus selbigem entfernt”. Es sind zu betrauern:

* Jener Möchtegern-Santa, der seine Hüfte per Seil mit seinem geparkten Auto verband, um sich mit Geschenken den Schornstein des Familiendomizils hinabzulassen. Leider versäumte der Mann, seine Frau zu informieren. Die stieg in das Auto und fuhr davon.

* Der 35-jährige Sachbearbeiter aus Südwestfalen, der auf einer Betriebsfeier eine Weihnachtspolonaise durch ein Fenster auf ein anliegendes Flachdach führen wollte. Der Mann ententanzte durch das falsche Fenster. Fünf Meter weiter unten traf er auf Beton.

* Ein 34-jähriger Taucher aus dem Hessischen, der bei dem Versuch, einen Weihnachtsbaum am Grund eines zugefrorenen Stausees aufzustellen, das Bewusstsein verlor und ertrank. Warum der Mann die Konifere am Seegrund verankern wollte, bleibt rätselhaft.

Zum Lachen ist das alles natürlich gar nicht. All jenen, die tatsächlich an Weihnachten verzweifeln, sei daher zugerufen: “Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren” (Lukas 2, 10-11). Und schon der hat unter dem Fest gelitten. Das jedenfalls legt eine Studie eines australischen Kinderarztpaares nahe. Marion und Tieh-Hee Koh analysierten 20 mittelalterliche Gemälde von Jesu Geburt aus der National Gallery in London. Auf elf Bildern war der neugeborene Jesus nackt, auf sieben beunruhigend leicht bekleidet.

“Die Temperatur in Bethlehem zur Zeit von Jesu Geburt wird auf etwa sieben Grad geschätzt.” Den Kohs zufolge erlaubt dies nur einen Schluss: “Jesus litt an Unterkühlung.”

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