Von Philip Bethge, DER SPIEGEL 18/2014
Dürfen ein paar Wale und Wasservögel die Energiewende behindern? Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) klagt jetzt gegen den Offshore-Windpark Butendiek vor Sylt, weil Bau und Betrieb der Anlage Schweinswale und die extrem scheuen Seetaucher stören könnten. Ein Milliardenprojekt steht auf dem Spiel. Es geht um Haben oder Nichthaben von 288 Megawatt Ökostrom. Und die Naturschützer plagt ein schlechtes Gewissen, weil sie doch eigentlich für den Ausbau der Erneuerbaren sind.
Dennoch ist die Klage des Nabu vor dem Verwaltungsgericht Köln richtig. Butendiek liegt inmitten von gleich zwei EU-Naturschutzgebieten. Nur weil der damalige grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin das Projekt protegierte, wurden dort schon 2002 80 Windräder genehmigt – gegen den Rat des Bundesamts für Naturschutz. Trittins Entscheidung war falsch. Auch die Windparks Dan Tysk, Amrumbank West und Borkum Riffgrund 2, deren Genehmigungen ähnlich windig sind, müssen auf den Prüfstand. Es gibt genügend alternative Offshore-Standorte, an denen kein Schweinswal kalbt und kein Prachttaucher fischt.
Bereits heute sind in der Nordsee 28 Windparks mit etwa neun Gigawatt Leistung genehmigt. Über 50 weitere Parks sind in Planung. Gleichzeitig deckelt die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes den Windstrom auf 6,5 Gigawatt bis 2020 und auf 15 Gigawatt bis 2030 – Zeit und Spielraum genug, um ökologisch verträgliche Offshore-Standorte auszuwählen. Das Bundesamt für Naturschutz muss die bereits begonnenen Rammarbeiten für Butendiek sofort stoppen. Sonst ist der Umweltschaden angerichtet, bevor über die Nabu-Klage vor Gericht entschieden wird. Und am Ende muss womöglich der Steuerzahler für den Rückbau eines halbfertigen Windparks geradestehen. Deutschland braucht Butendiek nicht – aber seltene Tiere brauchen ihre Rückzugsräume.