Author: Philip Bethge
-
Kosmos des Süßkrams
Von Philip Bethge, DER SPIEGEL 51/2014 – VIDEO dazu
Wenn Peter Boone an Schokolade denkt, fallen ihm Wörter wie “cremig”, “süß”, “fruchtig” oder “milchig” ein, aber auch “rauchig”, “erdig”, “Zimt” und “Lakritz”.
Oder Boone schwärmt gleich von “Ganache”, verführerischen Kombinationen aus Sahne und Schokolade, von Pralinen mit “Knusperelementen” in der Füllung und “Schokoladentropfen” mit den Aromen des “Hibiskus” oder der “Himbeere”.
“Bei Geschmacksvielfalt fällt vielen Leute automatisch Kaffee oder Wein ein”, sagt Boone, “doch dasselbe Potenzial ruht im Kakao – und unsere Aufgabe ist es, dieses Potenzial zu entfesseln.”
Boone ist Chief Innovation & Quality Officer von Barry Callebaut, dem führenden Schokoladenproduzenten. Im belgischen Wieze, gut 40 Autominuten nordwestlich von Brüssel, betreibt die Firma die größte Schokoladenfabrik der Erde. 1,7 Millionen Tonnen des dunklen Süß produzierte Barry Callebaut im vergangenen Geschäftsjahr. Unternehmen wie Mondelez, Unilever oder Hershey verarbeiten es zu Weihnachtsmännern, Pralinen oder Eiscreme.
Der dunkle, erdige Geruch von Kakao liegt über der gesamten Anlage. In den Lagern stapeln sich grobe Säcke mit Kakaobohnen. Nebenan, in Speziallabors, tüfteln Experten an neuen Rezepturen und analysieren die rund 10 000 Inhaltsstoffe der Kakaobohne, immer auf der Suche nach den Schokoladeninnovationen von morgen.
“Wir versuchen, die Kakaobohne vollständig zu enträtseln”, erläutert Boone, “Schokolade ist Genuss pur; wir wollen sicherstellen, dass das auch so bleibt.”
Wieze ist ein eigener Kosmos des Süßkrams. Ähnlich wie in Roald Dahls Kinderbuchklassiker “Charlie und die Schokoladenfabrik” kreist dort alles um die braune Köstlichkeit. Doch die verführerische Willy-Wonka-Welt trügt. Die Schokoladenindustrie ist in Bedrängnis. Während die Nachfrage weltweit vor allem wegen wachsender Schokolust in Schwellenländern wie China oder Indien steigt, könnte die Produktion bald stagnieren.
Der Grund: Industrie, Produktionsländer und Bauern haben es jahrzehntelang versäumt, den Anbau des Kakaobaums zu modernisieren. Auf die Kakaopreise wirkt sich die Agrarkrise zwar noch nicht direkt aus. Doch die Branche ist alarmiert.
“Unsere Industrie ist an einem kritischen Punkt”, sagt Bill Guyton, Präsident der World Cocoa Foundation mit Sitz in Washington, D. C. Der oberste Schokoladenwächter führt eine Koalition von Branchengrößen an, die sich nun zum Handeln gezwungen sieht.
Im Mai haben zwölf Schokofirmen wie etwa Barry Callebaut, Mars und Ferrero gemeinsam mit den Regierungen der beiden größten Produktionsländer, Ghana und Elfenbeinküste (siehe Grafik ), das Programm “Cocoa Action” aufgelegt, um die Zukunft des Kakaoanbaus in Afrika abzusichern. Auch in Asien und Südamerika investieren Schokoladenfirmen Millionenbeträge in Plantagen, Pflanzenforschung und Schädlingsbekämpfung.
Sie reagieren damit auf eine Situation, die dringlicher kaum sein könnte. Überalterte Kakaofarmen erzielen magere Ernten. Die Böden sind ausgelaugt. Pflanzenkrankheiten vernichten etwa ein Fünftel der globalen Kakaoernte.
Verschärft wird die Situation durch den Klimawandel. Die Modelle der Klimaforscher sagen für die Tropen höhere Temperaturen und unregelmäßigere Regenfälle voraus. 2007 hatte der Weltklimarat bereits gewarnt, dass sich die Ernten in Äquatorialafrika bis 2020 halbieren könnten.
Den Kakaobauern mangelt es an fast allem: an Schulen, medizinischer Versorgung, Zukunftsperspektiven. An der Elfenbeinküste etwa leben 60 Prozent der Kakaobauern unterhalb der Armutsgrenze. Und Schätzungen zufolge schuften etwa 1,8 Millionen Kinder auf den Kakaofarmen Westafrikas, rund eine halbe Million davon unter Bedingungen, die gegen die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO verstoßen. Kinderarbeit auf der Kakaoplantage – eine hässliche Vorstellung angesichts der Fülle von Schokoleckereien, die sich im reichen Westen derzeit wieder in den Regalen türmen.
Und was passiert, wenn Ebola zuschlägt? Noch hat die Seuche Ghana und die Elfenbeinküste verschont. Aber sie wütet bei den direkten Nachbarn.
“Wir befürchten, dass der Kakaoanbau ohne schnelles Eingreifen in eine Abwärtsspirale geraten könnte”, sagt Howard-Yana Shapiro, Chef der Agrarforschung beim US-Lebensmittelkonzern Mars und Pflanzenforscher der University of California Davis. Der 68-Jährige treibt für Mars das Kakaorettungsprogramm “Vision for Change” voran. An der Dringlichkeit der Mission lässt er keinen Zweifel. “Ich bin kein Alarmist, sondern Realist”, sagt Shapiro, “wir müssen handeln, jetzt.”
Shapiro ist ein ungewöhnlicher Industriebotschafter. Mit langem weißen Bart und ebensolchem Haupthaar wirkt er wie Santa Claus persönlich, ein reich gewordener Althippie, der vegan lebt und seine Büroräume im kalifornischen Davis als Parkplatz für eine Sammlung von fast hundert Motorrädern nutzt.
Zu Mars kam er, nachdem die Firma ein von ihm mitaufgebautes Unternehmen für Biosaatgut kaufte. Seither muss er sich oft den Vorwurf gefallen lassen, eine Art Öko-Feigenblatt für die Industrie zu sein. Doch die Kritik ficht ihn nicht an – Shapiro gilt als einer der profiliertesten Agrarexperten der Erde. Seit über 35 Jahren erforscht der Genetiker Nutzpflanzen. 2010 sorgte er für Aufsehen, als er für Mars das Genom der Kakaopflanze entschlüsselte – und es anschließend kostenfrei ins Internet stellte.
Inzwischen vertraut Mars Shapiro etwa 30 Millionen Dollar jährlich an, um den Kakao in die Zukunft zu retten: Bis 2020 will Mars angeblich nur noch nachhaltig produzierten Kakao verarbeiten, Kakao also, der von den Zertifizierern Fairtrade, Rainforest Alliance oder UTZ Certified ausgezeichnet ist. Diese Mission führt Shapiro regelmäßig rund um den Erdball.
–> Geschichte auf Spiegel.de lesen
An diesem heißen Dezembertag geht es im Geländewagen nach Petit Bondoukou, einer Gemeinde im zentralen Kakaoanbaugebiet der Elfenbeinküste. Finanziert von Mars, versuchen Experten des World Agroforestry Center (Icraf) hier bereits seit 2010, den Bauern der örtlichen Kooperative zu helfen. Im Moment ist Haupterntezeit. Am Rand der Straße stehen dicht gedrängt die Kakaobäume mit ihren dicken, ovalen Früchten, deren Schalen von rot und orange über gelb bis grün und lila changieren. Allein, das üppig wirkende Pflanzenmeer trügt. Die Probleme sind fundamental.
Yoba Traoré, ein schlanker Ivorer mit Vollbart und braunen, weiten Kleidern, baut auf fünf Hektar Kakao an. Der 54-Jährige lebt mit seinen beiden Frauen und sieben Kindern in einem wellblechgedeckten Lehmhaus. Sein Land liegt zwei Kilometer weiter die Straße hinab. Die Kakaobäume stehen eng. Ihre Äste winden sich in alle Richtungen. Nur wenig Licht dringt durch das dichte Blätterdach.
Auf einer Lichtung hat Traoré, mit Plastik abgedeckt, frische Kakaobohnen zur Fermentation ausgelegt. Als er die Plane zurückschlägt, steigt ein intensiver Geruch nach Essigsäure und Kakao von den Bohnen auf, die noch in den Fruchtständen sitzen. Daneben ruhen fertig fermentierte Bohnen zum Trocknen auf dem Boden.
Was idyllisch aussieht, kommentiert Shapiro mit einem Wort: “Entsetzlich.” Mit dem geschärften Blick des Agrarforschers erkennt er schnell, dass Traoré fast alles falsch macht, was im Kakaoanbau falschlaufen kann. Die Bäume, die eigentlich ähnlich wie Apfelbäume gepflegt werden müssten, seien vermutlich noch nie beschnitten worden, sagt er. Das dichte Blätterdach halte Feuchtigkeit am Boden und begünstige das Wachstum von Pilzen.
Die etwa sechstägige Fermentation der Bohnen, bei der die typischen Kakaoaromen entstehen, sähe der Experte viel lieber traditionell unter Bananenblättern als unter Plastik. Das Trocknen am Boden sei unhygienisch und ineffektiv.
Tatsächlich produziert Traoré nur etwa 300 Kilogramm Kakaobohnen pro Hektar. Mit guter Agrartechnik ließe sich die Ernte des Bauern leicht verfünffachen, meint Shapiro. Unter experimentellen Bedingungen hat der Forscher schon bis zu sechs Tonnen Kakao pro Hektar geerntet.
Zudem ist ein Teil von Traorés Bäumen vom sogenannten Cacao Swollen Shoot-Virus (CSSV) befallen. Bei der Krankheit schwellen Abschnitte des Stamms an, vermutlich, weil Pflanzengefäße gleichsam abgewürgt werden. Langsam rafft es den Baum dahin. Kahl recken Traorés abgestorbene Exemplare die Äste gen Himmel.
Das Problem: CSSV wird leicht übertragen. “Diese Krankheit könnte die gesamte ivorische Kakaowirtschaft zugrunde richten”, warnt Shapiro. Er hat so etwas schon erlebt. In Brasilien, einst ein führender Kakaoanbauer der Welt, zerstörte die Pilzkrankheit “Hexenbesen” in den Neunzigerjahren fast die gesamte Branche.
So weit soll es in Westafrika nicht kommen. Und deshalb ist Pflanzenforschung der erste Pfeiler des Kakaorettungsprojekts. Weltweit fahnden Forscher nach krankheitsresistenten Bäumen. Erste Erfolge gibt es. Shapiro selbst war zum Beispiel an der Entdeckung einer Resistenz gegen den Hexenbesen beteiligt. In Costa Rica wachsen bereits erste, gegen den tödlichen Pilz gefeite Bäume.
Auch für die Javanische Kakaomotte, den schlimmsten Kakaoplagegeist in Asien, und für CSSV suchen die Experten noch händeringend nach Gegenwehr. Shapiro würde gern mehr Biotechnologie einsetzen. CSSV etwa, so glaubt er, ließe sich mit Gentechnik besiegen. “Ich weiß zwar, dass diese Techniken sicher sind”, sagt er, “aber niemand wird riskieren, dass die gentech-kritischen Europäer ihren Markt für Kakaobohnen aus Westafrika schließen.”
Die Kakaorettungspakete der Schokofirmen setzen daher auf konventionelle Agrartechnik. Die Firmen wollen die Erträge erhöhen und die Lebensbedingungen der Bauern verbessern – der zweite Pfeiler der Kakaoaktion. Andernfalls, so die Befürchtung, könnte so mancher Kleinbauer den Anbau bald ganz aufgeben.
“Viele Bauern überlegen, statt in Kakao in Kautschuk oder Palmöl zu investieren”, sagt Nicko Debenham, Nachhaltigkeitsexperte von Barry Callebaut. Junge Kakaobauern, berichtet er, ließen ihre Farmen sogar häufig ganz im Stich und zögen in die Städte. Um die Bauern zu halten, sei es unumgänglich, die Einkommen zu erhöhen. Dann, so Debenhams Hoffnung, könnten sich viele Probleme erledigen, so zum Beispiel auch das der Kinderarbeit.
Denn dass auf den Farmen Westafrikas so viele Kinder arbeiten, ist meist aus der Not geboren. “Kakaoanbau ist sehr arbeitsintensiv”, sagt Debenham. Erwachsene Helfer aber könnten die meisten Bauern nicht bezahlen. Die Ernte bleibe daher oftmals “Familienangelegenheit”.
Debenham setzt darauf, die Bauern besser auszubilden und die Gemeinden zu stärken. Genau das ist auch das Ziel von Shapiros Mars-Mission. Die Icraf-Experten bilden in den Dörfern sogenannte Kakao-doktoren aus.
Joel Yao Kouadio ist einer von ihnen. Der junge Ivorer hat gelernt, wie man Kakaobäume pflanzt, pflegt und beschneidet und wie sich Krankheiten abwehren lassen. Jetzt öffnet er in Petit Bondoukou jeden Tag die Türen eines hellblau lackierten Containers, den er zum Mini-Gartencenter ausgebaut hat.
Auf den Regalen von Kouadios Laden stapeln sich Pflanzenschutzmittel und Werkzeuge. Dünger liegt in großen Säcken in der Ecke. Außerdem hilft er direkt auf den Kakaofarmen. Für den 25-jährigen Jungbauern Dramane Sogodogo hat Kouadio zum Beispiel einige alte Bäume auf einem Feld in der Nähe mit einer klassischen Technik verjüngt: dem Pfropfen.
An einem Baum demonstriert Kouadio das Verfahren. Mit einem Messer öffnet er zunächst die Rinde. Dann steckt er einen sogenannten Pfropfreiser in die Baumwunde. Den etwa 20 Zentimeter langen Trieb hat er zuvor von einem jungen, besonders produktiven Kakaobaum geschnitten.
Kouadio umwickelt den Pfropf mit Plastikfolie, um ihn vor dem Austrocknen zu bewahren. Am Schluss rollt er ein Kakaoblatt zu einem Hütchen und setzt es als Schattenspender auf den frischen Ast. “In zwei bis drei Wochen ist der Pfropf angewachsen”, erläutert Shapiro, dann werde der alte Stamm entfernt, und nach drei Jahren trage der Baum “fünfmal so viele Früchte” wie zuvor.
“Wenn sich diese Technik als sicher erweist, könnte ein Großteil aller Kakaobäume in der Elfenbeinküste innerhalb der nächsten zehn Jahren verjüngt werden”, schwärmt Shapiro. Deswegen produziert die Icraf in großer Zahl Pfropfreiser in sogenannten Klongärten. Sorgsam ausgewählte Kakaobäume wachsen dort heran. Bis zu 100 Jungbrunnen-Triebe jährlich lassen sich von einer einzigen dieser Pflanzen gewinnen.
Noch muss Shapiro allerdings die Regierung überzeugen. Massandjé Touré-Litsé, die ebenso mächtige wie resolute Chefin des ivorischen Conseil du Café-Cacao, befürchtet, dass sich im Gepäck der Pfropfreiser CSSV verbreiten könnte. Auch der ersehnte Erntezuwachs hat für Touré-Litsé eine Kehrseite. Gibt es mehr Kakao, könnten die Weltmarktpreise fallen.
Doch Widerstand spornt Shapiro eher an. Am Abend sitzt er in der Provinzstadt Soubré mit den Chefs einer weiteren Kakaokooperative zusammen. Die Entreprise cooperative agricole de Soubré passt ideal in Shapiros Nachhaltigkeitskonzept. 1300 Bauern haben sich hier zusammengeschlossen. 3000 Tonnen zertifizierten Kakaos produzieren sie jährlich. Pro Kilo erhalten sie dafür umgerechnet etwa 1,30 Euro. Ein paar Cent extra bringt ihnen die UTZ-Zertifizierung. Mit den Überschüssen hat die Kooperative zwei Schulen und ein Warenlager gebaut. Kleinkredite für die Bauern gehören zum Service.
Doch Shapiro reicht das nicht. Wie hoch die Ernte sei, fragt er in den Raum. Im Schnitt 500 Kilogramm Kakaobohnen pro Hektar, lautet die Antwort. Shapiro springt auf: “Wollt ihr 1500 bis 2000 Kilo pro Hektar?”, ruft er und erntet ungläubige Blicke.
Der Mann von Mars will der Kooperative einen Klongarten schenken, damit die Bauern ihre Bäume verjüngen können. Per Handschlag wird der Deal besiegelt.
Kann Shapiros Konzept aufgehen? Die Situation der Kakaobauern hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Die Regierungen der Elfenbeinküste und Ghanas bestimmen seit Kurzem jedes Jahr einen Festpreis für Kakao, der die Bauern weniger abhängig von den Schwankungen des Weltmarktpreises macht.
Und tatsächlich wächst auch der Anteil nachhaltig produzierten Kakaos. “Wir werden in diesem Jahr fünfmal mehr Kakao verkaufen als noch im vergangenen Jahr”, berichtet etwa Dieter Overath vom Verein Transfair, der in Deutschland das Fairtrade-Siegel vergibt. Am Ziel befinde man sich aber noch nicht. “Die Schokoladenindustrie hat die Probleme zu lange ignoriert”, sagt Overath. Immer noch seien fast 80 Prozent des Kakaos überhaupt nicht zertifiziert. Gerade Markenartikler wie Milka, Lindt oder Ritter Sport würden sich bislang nur halbherzig oder gar nicht engagieren.
Dabei kommen die Firmen um Nachhaltigkeit eigentlich nicht mehr herum. “Wer langfristig in diesem Geschäft bleiben will, muss in die Bauern investieren”, sagt Peter Boone von Barry Callebaut. Um sich im Markt zu behaupten, werde es zudem immer wichtiger, “die Geschichte hinter der Schokolade” zu erzählen, sagt er.
Im belgischen Wieze lässt sich das beste Beispiel für die Qualitätsoffensive direkt neben der Schokoladenfabrik besichtigen. In Callebauts “Chocolate Academy” lernen etwa tausend Chocolatiers und Pâtissiers jährlich alles über Schokolade, “ein wundervolles, komplexes Produkt”, wie es Akademiechef Alexandre Bourdeaux sagt. Für den Belgier ist die Herstellung von Pralinen oder Schokoladenskulpturen Kunstform und Wissenschaft zugleich.
Bourdeaux kennt sich bestens aus mit dem “Winnower”, einer Maschine, die die Schalen der gerösteten Kakaobohnen von den Kernen trennt, oder mit der “Conche”, in der die Schokoladenmasse bis zu zwölf Stunden lang geschmeidig gequirlt wird. Mit seinen Schülern diskutiert er den Säuregehalt von Schokolade oder die “Kristallisationskurve”, die beschreibt, wie die Süßigkeit aushärtet, ohne dabei ihren Glanz zu verlieren.
Kein Wunder, dass Bourdeaux auch ein spezielles Verhältnis zu den Bohnen hat. “Ohne Qualitätsbohnen keine Qualitätsschokolade”, sagt der Chef-Chocolatier: “Für uns ist es essenziell, was wir aus den Produktionsländern bekommen.”
-
Rotmilan auf Kollisionskurs
Von Philip Bethge, DER SPIEGEL 47/2014
Der Ausbau der Windenergie ist für die Vogelwelt kein Grund zum Tirilieren. Die Tiere werden von den gewaltigen Flügeln der Windräder massenhaft zerschreddert. Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten hat deshalb schon 2012 eine Neufassung ihres “Helgoländer Papiers” von 2007 vorgelegt, in dem die Experten empfehlen, wie weit Windräder mindestens von den Brutplätzen verschiedener Vogelarten entfernt sein sollten. Halten sich die Windkraftbauer daran, so die Hoffnung, werden weniger Vögel durch die Rotoren getötet. Das Problem: Die Studie liegt bis heute unveröffentlicht bei der zuständigen “Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung” (Lana). Und der Vorwurf wird laut, dass die Lana die Veröffentlichung absichtlich verzögert, weil manche Umweltministerien ihre Windenergie-Ausbaupläne gefährdet sehen. Noch dazu ist den Vogelwarten inzwischen aufgetragen worden, die Ergebnisse zunächst mit dem Bundesverband Windenergie zu diskutieren. Eine staatliche Fachbehörde wird also dazu verdonnert, ihre wissenschaftlichen Empfehlungen vor Veröffentlichung mit einem Lobbyverband zu besprechen. Das ist etwa so, als würde eine Studie zu den Risiken des Rauchens zum Korrekturlesen an die Tabakindustrie geschickt.
Die Windenergiebranche hat großes Interesse daran, die Vogelwärter zu beeinflussen. So empfehlen die Experten in dem neuen Papier, den Mindestabstand, den Windräder von Rotmilan-Horsten haben sollten, von 1000 auf 1500 Meter zu erhöhen. Für die Anlagenbauer wird es damit mancherorts noch schwieriger, Standorte für Windkraftwerke zu finden. Bei anderen Vogelarten haben die Fachleute die Mindestabstände allerdings gesenkt. Umso unverständlicher ist es, dass die Lana das “Helgoländer Papier” verschleppt.
Natürlich muss die Windkraft weiter gefördert werden. Doch auch der Artenschutz muss zu seinem Recht kommen. Für den gefährdeten Rotmilan etwa ist Deutschland das wichtigste Brutgebiet. Auch um Planungssicherheit für die Windenergiebranche zu schaffen, sollte deshalb vor einem weiteren Ausbau der Windkraft bundeseinheitlich verbindlich geregelt werden, welchen Platz die Technik der Natur einzuräumen hat. Niemand besitzt dafür eine bessere Expertise als die Vogelschutzwarten.
-
Der Brokkoli gehört uns allen
Von Philip Bethge, DER SPIEGEL 44/2014
Dürfen Pflanzen und Tiere patentiert werden? In Europa ist das stark eingeschränkt. Patente würden nicht erteilt für “Pflanzensorten oder Tierrassen” sowie “im Wesentlichen biologische” Züchtungsverfahren, heißt es im Europäischen Patentübereinkommen. Doch das Europäische Patentamt (EPA) scheint die Regeln nicht ernst zu nehmen. Etwa 2400 Patente auf Pflanzen und 1400 Patente auf Tiere seien schon erteilt worden, kritisiert die Initiative No Patents on Seeds im Vorfeld einer Anhörung vor der Großen Beschwerdekammer des EPA. Aktuell will sich die Firma Plant Bioscience konventionell gezüchteten Brokkoli als Erfindung schützen lassen, das israelische Landwirtschaftsministerium Tomaten. Und es ist zu befürchten, dass die Patente am Ende bestätigt werden.
Möglich ist dies, weil die Industrie Übung darin hat, auf geschickte Weise rechtliche Schlupflöcher auszunutzen. Eine bestimmte Apfelsorte mit erhöhtem Vitamingehalt beispielsweise lässt sich in Europa nicht patentieren. Wenn indes in der Patentschrift allgemein von vitaminangereicherten Pflanzen die Rede ist (also nicht von einer einzelnen Sorte), lassen die EPA-Beamten oftmals mit sich reden. Die Patentierung hänge “in vielen Fällen” davon ab, “wie geschickt die Ansprüche formuliert werden”, gibt die Technische Beschwerdekammer im EPA offen zu. Ein Armutszeugnis.
Dabei ist es brisant, wenn Lebewesen geistiges Eigentum von Firmen werden. Der Zugang zur genetischen Vielfalt muss öffentlich bleiben. Sonst können unabhängige Forscher und Züchter nicht mehr uneingeschränkt nach neuen Sorten fahnden, um die Nahrungsmittelversorgung für eine wachsende Weltbevölkerung sicherzustellen. Sonst geraten Bauern in Abhängigkeiten, die sie sich gerade in Entwicklungsländern nicht leisten können. Natürlich müssen Saatgutfirmen Geld verdienen können mit ihren Innovationen. Doch Patente sind dafür der falsche Weg – vor allem, wenn sie mithilfe juristischer Wortklauberei zustande kommen.
Die Patentierung von Leben ist eine ethische Grundsatzfrage, die nicht in Hinterzimmern des EPA entschieden werden darf. Nur in einer offenen gesellschaftlichen Diskussion kann geklärt werden, wem die genetische Vielfalt gehört.
-
Die Zähmung der Ströme
Von Philip Bethge, DER SPIEGEL 3/2014
Wer weiß schon noch, wie Flüsse einst flossen, als man sie ließ? Wie breit das Bett ist, das sie sich über die Jahrhunderte gebahnt haben? Wie Stillwasser glitzert neben Stromschnellen, die über Schotterfelder rauschen; wie Schwemmholz, zu Nestern getürmt, an den Ufern kleiner Inseln strandet. Wie Pappelschösslinge um Halt ringen, sich alles immerzu ändert an der Grenze zwischen Wasser und Land.
An der Vjosa lässt sich beobachten, wie früher auch Elbe, Rhein und Oder die Landschaft formten. Der Fluss zieht durch sein Tal im Süden Albaniens, verzweigt sich in Arme, die bald wieder zusammenfließen, das Wasser gibt und nimmt den festen Grund.
“Bei jedem Hochwasser verlagert die Vjosa ihren Lauf”, schwärmt Ulrich Eichelmann, Naturschützer von der Organisation Riverwatch, und blickt hinüber zum schmalen Band des Auwalds, der sich an die Talflanke schmiegt. “Der Fluss füllt das ganze Tal aus”, sagt der 52-Jährige. “So etwas gibt es in Europa nur noch hier, auf dem Balkan.” Dann hält er inne. Drüben am anderen Ufer steigt ein Kormoran schwerfällig in die Lüfte.
Die Vjosa: 270 Kilometer Flusslandschaft, vom griechischen Pindosgebirge bis hinab zur Adria. Kein Damm stört das Wasser auf seinem Weg. Kein Betonbett lenkt den Lauf. Und jeder Kiesel erzähle eine Geschichte, sagt Eichelmann – von unberührten Orten oben in den Bergen, von Wasserfällen, Schluchten, Seen.
So glasklar wie die Vjosa rauschen viele Gewässer in den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens die Berge hinab, ebenso in Albanien und Bulgarien. “Auf dem Balkan schlägt das blaue Herz Europas”, sagt Eichelmann, der sich zusammen mit der Umweltorganisation EuroNatur dafür einsetzt, die natürlichen Ströme zu erhalten.
80 Prozent der Flüsse auf dem Balkan, so zeigt ein Gutachten, sind noch in gutem oder sehr gutem ökologischem Zustand – ein Paradies für Fische, Muscheln, Schnecken und Insekten.
Doch die letzten Wildflüsse Europas sind in Gefahr. Mehr als 570 größere Staudämme samt Wasserkraftwerken (jeweils mit einer Kapazität von über einem Megawatt) sind in der Region geplant (siehe Grafik).
Mit dem Geld internationaler Finanzinstitute – unter ihnen die Deutsche Bank, die Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) – sind die Wehrbauer ans Werk gegangen.
Eine “Goldgräberstimmung” macht Eichelmann aus, die “Hydrolobby” wittere den letzten unerschlossenen Energiemarkt Europas. Kurz bevor die Balkanstaaten sich qua Beitritt den Öko-Reglements der Europäische Union unterwerfen müssen, versuche die Industrie, Tatsachen zu schaffen: “Was in der EU längst verboten ist, wird nun noch schnell auf dem Balkan versucht”, sagt Eichelmann. Im Namen von Ökostrom und Klimaschutz drohe ein Ausverkauf unberührter Natur.
–>> Geschichte auf SPIEGEL.de lesen
In Albanien ist die Zähmung der Ströme in vollem Gang. Ein Bauboom hat das bettelarme Land ergriffen: Im Fluss Drin im Norden des Landes sind drei große Dämme bereits fertig. Für den Devoll hat die norwegische Firma Statkraft Konzessionen erworben. Und auch an der Vjosa droht Ungemach. Acht Dämme sind geplant. Einer davon ist bereits im Bau. Nahe der Ortschaft Kalivaç drängt der Fluss sich durch eine Enge. Bagger verschieben dort Berge aus Kies und Sand. Fast 50 Meter hoch und 350 Meter breit soll die Staumauer werden.
Es ist ein Italiener, Francesco Becchetti, der diesen Staudamm errichten will. In seiner Heimat besitzt der 47-Jährige ein Bau- und Müllimperium, in Albanien einen Fernsehsender. Wer ihn treffen will, muss sich zunächst von einem seiner TV-Journalisten aushorchen lassen. Dann geht es über eine staubige Straße bis nach Kalivaç. Dort wartet der Industrielle mit seiner Entourage, einem guten Dutzend kräftiger Männer, die sich um eine beträchtliche Anzahl teurer Limousinen scharen.
Im Bürocontainer der Baustelle zeigt Becchetti dann die Pläne für die Sperre der Vjosa. Dicke Gutachten hat der bärtige Italiener mitgebracht. 70 Millionen Euro habe sein Talsperrenprojekt bereits verschlungen, berichtet er, auch Geld der Deutschen Bank war dabei. Inzwischen hat sich das Geldhaus aus dem Joint Venture verabschiedet.
Beim Aufstieg auf das halbfertige Bauwerk kommt die Rede dann auf die Vjosa. Ob Becchetti bekannt sei, dass es sich um einen der letzten Wildflüsse Europas handle? Nein, antwortet der Bauherr. “Aber der Damm wird kein Problem für die Umwelt sein”, sagt er. Und: “Ich musste mir das erst erklären lassen – aber wir planen eine Forellentreppe ein.”
Eine Forellentreppe? Gegen den Komplettverlust eines einzigartigen Lebensraums? Aus Ökologensicht: ein schlechter Witz. “Sollte die Vjosa zu einer Kette von Stauseen verkommen”, befürchtet Spase Shumka von der naturwissenschaftlichen Fakultät der Agrar-Universität Tirana, “können zum Beispiel Aal und Meeräsche hier nicht überleben.” Bis zu 200 Kilometer wandern die europaweit bedrohten Fische bislang die Vjosa hinauf.
Zahllose Vögel wie etwa Flussregenpfeifer, Seiden- und Silberreiher seien auf die Auen der Flüsse angewiesen, sagt Shumka. Und viele nur auf dem Balkan heimische Fischarten wie etwa die Pindus-Bachschmerle könnten an den Rand des Aussterbens gebracht werden.
In der Hauptstadt Tirana wird allerdings schnell deutlich, dass Naturschutz in der Prioritätenliste der albanischen Regierung einen unteren Platz belegt.
Im Regierungsviertel am Bulevardi Dëshmorët e Kombit residiert Damian Gjiknuri, Minister für Energie und Industrie. Zwar gibt sich der erst wenige Monate amtierende Politiker redlich Mühe, Verständnis für den Naturschutz aufzubringen. Die Energieversorgung des Landes liegt ihm indes mehr am Herzen.
“Zurzeit müssen wir zwischen 35 und 40 Prozent unseres Stroms importieren”, sagt Gjiknuri. Um das zu ändern, habe Albanien keine andere Wahl, als auf Wasserkraft zu setzen. Das Potential sei enorm: “Wir können die heimische Stromproduktion durch Wasserkraft um das Zehnfache steigern.”
Aus dem gleichen Grund will im benachbarten Mazedonien das staatseigene Energieunternehmen Elektrani na Makedonija (ELEM) zwei Staudämme bauen – mitten in einen Nationalpark.
Das 73 000 Hektar große Mavrovo-Schutzgebiet liegt an der Grenze zu Albanien und dem Kosovo und ist einer der ältesten Nationalparks Europas. Buchen-Urwälder gibt es dort, durch die noch Wölfe und Bären schleichen. In den Bächen leben Fischotter, Forellen und Süßwasserkrebse. Stolz der Region ist der Balkan-Luchs; nur noch etwa 50 Exemplare der Katzenart streifen durch die Wälder – Aussterben in Sicht.
Zwei größere Dämme sind im Mavrovo-Nationalpark geplant. “Lukovo Pole” liegt hoch oben in den Bergen, dort, wo die Bäume alpinen Feuchtwiesen weichen und die Pflanzenvielfalt am größten ist. In der Nähe haben Experten der Unesco ein Tal entdeckt, das als Weltnaturerbe in Frage kommt.
71 Meter hoch soll der Lukovo-Pole-Damm werden. Eine neue Straße durch den Nationalpark müsste gebaut werden, um ihn zu errichten. Im Juli will die Weltbank entscheiden, ob sie das Projekt mit 70 Millionen Dollar unterstützt.
Weiter unten im Tal liegt “Boskov Most”, das letzte Refugium des Balkan-Luchses. Dort soll ein Damm den Fluss Mala Reka blockieren. Die EBRD hat bereits 65 Millionen Euro für den Bau zugesagt. Eine schmale Straße führt entlang der Mala Reka bergan. Nach ein paar Minuten Fahrt stoppt Eichelmann den Wagen und springt hinaus. Der erste Schnee des Winters liegt wie eine löchrige Decke über dem Tal. Die Luft ist schneidend kalt. Der Fluss schäumt und rauscht.
Eichelmann kraxelt die Böschung hinab. Und plötzlich ist da eine eigene Welt aus Licht und Schatten, Kälte und Feuchtigkeit. Das Wasser umtost moosbewachsene Felsen, verschwindet in Höhlungen, zwängt sich durch Kämme aus Eiszapfen.
Am überhängenden Fels hat eine Wasseramsel ihr Kugelnest aus Moos gebaut. Im Labyrinth der Wurzeln und Steine leben nur auf dem Balkan vorkommende Forellenarten und die Larven von Köcherfliegen und Quelljungfern. “Das liebe ich: diese einzigartige Vielfalt”, sagt Eichelmann. Was passiert mit der Mala Reka, wenn der Damm gebaut würde? “Das Flussbett läge die meiste Zeit trocken.” Das Wasser des künftigen Stausees soll zwar noch durch die Mala Reka abgeleitet werden, allerdings nur zu Zeiten des höchsten Strombedarfs. “Schwallbetrieb” nennen Ingenieure das Konzept. Einmal am Tag jagt dann eine Flutwelle durchs Tal.
Die Mehrheit der Tiere und Pflanzen im Ökosystem, fürchten Biologen, würde die tägliche Spülung nicht überleben. Und die für den Dammbau notwendigen Straßen würden Mavrovo fragmentieren und Wildtieren das Leben erschweren.
Die internationalen Finanziers schert das nicht: “Keines der Gutachten legt nahe, dass der Nationalparkstatus von Mavrovo gefährdet wird”, heißt es bei der EBRD. Die Vielfalt sei nicht in Gefahr, beschwichtigen auch die Kraftwerksbetreiber des Energieunternehmens ELEM.
Mazedonien gehört zu den Ländern des “202020-Netzwerks”. Diese Staaten haben sich vorgenommen, den Anteil grüner Energie bis 2020 auf mindestens 20 Prozent zu heben und den Treibhausgas-Ausstoß um 20 Prozent zu senken. “Ohne Wasserkraft kommen wir nicht aus”, sagt ELEM-Chef Dejan Boskovski.
Doch der internationale Druck wächst. Die Weltnaturschutzunion IUCN fordert in einer Resolution, den Bau der Wasserkraftwerke im Mavrovo-Nationalpark aufzugeben. Und vergangene Woche wandten sich mehr als hundert europäische Forscher, unter ihnen auch der deutsche Naturwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker, direkt an Weltbank und EBRD, um die Finanzierung der Mavrovo-Dämme zu stoppen. “Wir sind überrascht, dass Ihre Institutionen überhaupt erwägen, diese Projekte zu unterstützen”, heißt es in dem Schreiben. Die Vorhaben “unterminieren die Nationalpark-Idee” und “verstoßen gegen EU-Gesetze wie die ,Natura 2000′-Direktive” und die Wasserrahmenrichtlinie.
Wenn nichts geschehe, würden “diese Flüsse genauso zerstört wie unsere in den siebziger Jahren – und das auch noch mit unserer Hilfe”, mahnt Ulrich Eichelmann. “Ich bin nicht gegen Wasserkraft, aber wir brauchen einen Masterplan für den Balkan, um festzulegen, wo es in Ordnung ist, solche Kraftwerke zu errichten, und wo nicht.”
Viele der Balkanstaaten strebten in die EU. “Wenn diese Länder etwas in die Gemeinschaft einbringen können, dann ist das Landschaft”, sagt der Naturschützer.
Doch die meisten Balkanstaaten stecken tief in der Wirtschaftskrise. Wo kein Geld ist, wird Naturschutz zweitrangig. Selbst eine gründliche Bestandsaufnahme der Flussvielfalt steht bislang noch aus.
Allerdings könnte die Krise den Flüssen indirekt sogar nützen. Denn sie hat den Dammbau vielerorts zum Spielfeld der Spekulanten werden lassen – und deshalb hat Albaniens Energieminister Gjiknuri erste Dammbaukonzessionen schon wieder kassiert. “Viele Investoren haben gar nicht erst angefangen zu bauen, sondern versucht, die Lizenzen auf dem Schwarzmarkt weiterzuverkaufen”, berichtet er. Andere würden “nur so tun, als bauten sie etwas”, um den Marktpreis ihrer Projekte zu erhöhen.
Die halbfertige Talsperre bei Kalivaç erwähnt Gjiknuri nicht explizit. Er kann indes kaum verbergen, dass ihm auch diese Sache nicht geheuer ist. Aus gutem Grund: Denn so geschäftig Bauunternehmer Becchetti seine Dammbaustelle an der Vjosa auch präsentiert – getan hat sich dort seit vier Jahren fast gar nichts.
Für Ulrich Eichelmann ist das ein Hoffnungsschimmer. “Noch ist an der Vjosa kein irreparabler Schaden entstanden”, sagt der Naturschützer. “Wir werden alles tun, um die Kraftwerke zu verhindern – aber es ist ein Rennen gegen die Zeit.”
-
Satter als satt
Von Philip Bethge
Die Hirse heißt “Dhanshakti”, zu Deutsch “Reichtum und Stärke”. Zumindest den Reichtum wagt Devran Mankar nicht mehr zu erwarten in seinem Leben. Ein Segen ist das Getreide trotzdem für den Kleinbauern: Es hält seine Familie satt und gesund.
“Seit wir diese Hirse essen, sind die Kinder seltener krank”, schwärmt Mankar, ein schmaler Mann mit grauem Bart, zerschlissenem Gewand und Goldrandbrille.
Sehr nahrhaft sei das Getreide, berichtet der Inder, während Enkelin Kavya auf seinem Schoß herumturnt. Und lecker sei es noch dazu: “Sogar dem Vieh schmeckt die Hirse.”
Mankars Feld am Rande des Dorfs Vadgaon Kashimbe im Bundesstaat Maharashtra ist kaum 100 Meter breit und 40 Meter lang. In einem Monat wird das Getreide reif sein. Wenn kein Hagelsturm kommt – und Ganesha, der Elefantengott, möge es verhindern -, werde er dann etwa 350 Kilogramm Hirse ernten, sagt der Bauer, genug für ein halbes Jahr.
Mankar und seine Familie nehmen teil an einem groß angelegten Ernährungsexperiment im Westen Indiens. Als einer von rund 30 000 Kleinbauern pflanzt der Inder Dhanshakti-Perlhirse an, ein Getreide, das es in sich hat: In den Körnern steckt ungewöhnlich viel Eisen und Zink. Indische Forscher haben der Pflanze diesen hohen Gehalt an Spurenelementen angezüchtet. “Bioverstärkung” nennen sie das.
Das Ziel des von der Ernährungshilfeorganisation Harvest Plus initiierten Projekts: Bauern wie Mankar und ihre Familien sollen nicht mehr Hunger leiden.
Die Dhanshakti-Hirse ist Teil einer neuen Grünen Revolution, mit der Bioforscher und Ernährungsexperten die Erde von Hunger und Mangelernährung befreien wollen. Immer noch werden weltweit 870 Millionen Menschen nicht satt. Und fast jeder Dritte leidet unter dem sogenannten versteckten Hunger, einem Mangel an Vitaminen und Spurenelementen wie Zink, Eisen oder Jod.
Die Folgen sind vor allem für Mütter und Kinder dramatisch: Frauen mit Eisenmangel sterben öfter im Kindbett, haben mehr Frühgeburten und Menstruationsprobleme. Mangelernährte Kinder können erblinden oder leiden unter Wachstumsstörungen. Sie sind zeitlebens anfälliger für Infektionen und lernen schlecht, weil sich ihr Gehirn nicht richtig entwickelt.
“Diese Kinder werden von Geburt an ihrer Zukunft beraubt”, sagt der indische Agrarwissenschaftler Monkombu Swaminathan, der seit mehr als 60 Jahren für das “fundamentale Menschenrecht” auf Sattsein arbeitet. Um das Hungerproblem endlich zu lösen, fordert Swaminathan zusammen mit anderen Ernährungsexperten eine neue Agrarwende. Nicht industrielle Hightechlandwirtschaft, sondern naturnaher Landbau, intelligente Pflanzenzucht und die Rückbesinnung auf alte Sorten sollen den Hunger ausrotten.
Die Welt hat genug zu essen. Nur: Für die Armen, die sich überwiegend von Getreide ernähren, ist es das falsche Essen. Mais, Weizen, Reis, die vor allem auf Ertrag und nicht auf Nährstoffgehalt gezüchteten Sorten der industriellen Landwirtschaft, können die Ärmsten nicht ausreichend versorgen. Denn sich satt zu essen genügt nicht, um gesund zu bleiben. Nährstoffe und Spurenelemente sind mindestens so wichtig wie Kalorien.
Ernährungssicherheit entstehe durch Vielfalt, sagt Swaminathan und fordert eine nachhaltige “Evergreen”-Revolution. Neue, nahrhaftere und klimatisch besser angepasste Getreidesorten müssten her. “Wir müssen Landwirtschaft wieder mit Ernährung verheiraten; beides war viel zu lange getrennt”, so der Forscher.
—>> Geschichte auf Spiegel.de lesen
Swaminathan, 88, gilt als Vater der indischen Grünen Revolution in den Sechzigerjahren. Die Wände seines Büros in der Großstadt Chennai an der Ostküste des Landes hängen voll mit Ehrungen und Urkunden. “Indias Greatest Global Living Legend” steht auf einer. 1987 erhielt er den Uno-Welternährungspreis.
Swaminathan schuf damals Reis- und Weizensorten, die kleiner waren als gewohnt, dadurch jedoch weit ertragreicher; zudem arbeitete er mit mischerbigen Pflanzen, die bis zu doppelt so produktiv sind wie ihre Elterngeneration.
“Der Erfolg der Grünen Revolution war gewaltig”, berichtet Swaminathan. Als Jugendlicher habe er noch den “Bengalischen Hunger” erlebt, der Mitte der Vierzigerjahre Millionen Inder dahinraffte. “Damals wuchs auf einem Hektar Land weniger als eine Tonne Getreide”, sagt Swaminathan. Inzwischen habe sich der Hektarertrag mehr als verdreifacht.
Doch zu welchem Preis? Die neuen Hochleistungssorten garantierten zwar hohe Ernteerträge, laugten jedoch auch die Böden aus und verbrauchten viel zu viel Wasser. Immer mehr Dünger und Pestizide waren nötig. Viele Kleinbauern verloren alles, weil sie erst investierten und dann ihre Ernte nicht mit Gewinn verkaufen konnten. Den Anbau traditioneller Brotgetreide vernachlässigten sie.
“Früher ernährten sich die Bauern von 200 bis 300 Feldfrüchten”, sagt Swaminathan. Heute gebe es nur noch “vier oder fünf wichtige Sorten”. “Die Grüne Revolution”, klagt der Forscher, “hat den Hunger nicht ausgemerzt.”
In Indien ist das Problem besonders dringlich. An die 250 Millionen Menschen, ein Fünftel der Bevölkerung, sind unterernährt. 50 bis 70 Prozent der Kinder unter fünf Jahren und die Hälfte aller Frauen leiden an Eisenmangel. Fast die Hälfte aller Kinder ist körperlich unterentwickelt oder sogar verkrüppelt, weil sie chronisch unter- und mangelernährt sind.
Vor allem im Bundesstaat Maharashtra ist die Lage prekär. Am frühen Morgen geht es zusammen mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Bushana Karandikar aus der Bhagwhan-Hochburg Pune (ehemals Poona) hinaus aufs Land. Die Inderin treibt das Dhanshakti-Projekt für die Organisation Harvest Plus voran. “Die Mangelernährung ist die traurige Seite des indischen Aufschwungs”, erzählt sie während der Fahrt. “Es ist sehr überraschend, aber wir teilen das Problem mit den Ländern in Schwarzafrika, obwohl deren Pro-Kopf-Einkommen viel geringer ist.”
Jetzt im Frühjahr ist Maharashtra grün. Mit seinen üppigen Feldern links und rechts der Straße und den Obstplantagen wirkt das Land fruchtbar. Zu besichtigen ist hier “Indiens Rätsel”, wie Forscher Swaminathan es nennt: “grüne Berge und hungrige Millionen”.
Im Ort Ghodegaon wird schnell deutlich, woran es mangelt. An einer unbefestigten Straße, vor der 15-Betten-Klinik des Ortes, warten Männer, Kinder, vor allem aber junge Frauen in bunten Saris. Die Schuhe bleiben vor der Tür, an den Wänden hängen Götterporträts, umrankt von Blumenketten.
Der Arzt Rajneesh Potnis empfängt im ersten Stock, reicht würzigen Kaffee und Süßes. 25 Jahre arbeitet Potnis schon hier. Die Studienkollegen hielten ihn für verrückt, als er nach Ghodegaon ging. Doch Potnis wollte helfen. Nun berät er stillende Mütter, hilft Kindern auf die Welt, behandelt Rachitis, Nachtblindheit und Blutarmut.
“Den Frauen geht es am schlechtesten”, sagt der Arzt, “sie essen das, was übrig bleibt, und arbeiten zugleich am härtesten.” In der Folge erlitten sie Früh- und Totgeburten, Infektionen, Schwächeanfälle. Am schlimmsten seien die ethnischen Minderheiten betroffen, die am Rand der Gesellschaft leben. “Sie kommen erst, wenn es gar nicht mehr anders geht.”
Potnis verteilt Mineral- und Vitaminpillen, die der indische Staat subventioniert; er rät den Familien zu vielseitiger Ernährung. Oft vergebens, erzählt der Arzt. “Es ist so einfach, den Leuten zu sagen: Esst mehr Hülsenfrüchte, mehr Gemüse und Eier – die meisten können sich das alles aber gar nicht leisten.”
Hier kommt die bioverstärkte Hirse ins Spiel: Die Bauern bauen in der Gegend schon immer Hirse an. Warum dann also nicht einfach die traditionelle Hirsesorte durch die Dhanshakti-Hirse ersetzen? “Dann bekommen die Leute ihre Mineralien aus dem Brot, das sie ohnehin jeden Tag essen”, schwärmt Potnis.
So wie im nahen Ort Vadgaon Kashimbe bei der fünfköpfigen Familie von Ramu Dahine: Schwiegertochter Meena backt heute das Bhakri, das traditionelle Fladenbrot aus Hirse. Im roten Sari kauert sie auf dem Boden vor dem kleinen wellblechgedeckten Steinhaus. Die Frau nimmt Hirsemehl und Wasser, knetet den Teig, legt den Fladen in eine Pfanne und bläst die Glut eines Holzfeuerchens mit einem langen Blasrohr an, bis die Flammen züngeln.
Zweimal am Tag essen die Dahines das Brot. Beilagen gibt es kaum. Die Hirse habe der Saatguthändler empfohlen, berichtet der Bauer. Dass das Getreide mehr Eisen enthält, weiß er gar nicht. Und doch ist ihm aufgefallen, dass die Familie gesünder durch die letzte Regenzeit kam.
Und die Hirse hat einen weiteren Vorteil: Weil sie keine Hybridsorte ist, kann der Bauer einen Teil der Ernte für die Aussaat in der nächsten Saison verwenden.
“Für die Ärmsten der Armen ist diese Hirse eine große Hoffnung”, sagt Bhushana Karandikar. Zumal das Getreide wirkt: Schweizer Forscher zeigten, dass Dhanshakti-Hirse bei Frauen den Eisengehalt im Blut deutlich erhöhte. Indische Forscher belegten, dass schon täglich 100 Gramm der Hirse den Eisenbedarf von Kindern komplett abdecken können.
Für die Verfechter der neuen, sanften Grünen Revolution ist das ein weiterer Erfolg auf ihrem Feldzug gegen den Hunger. Weltweit arbeiten Ernährungsspezialisten an nahrhafteren Getreide- und Gemüsesorten. In Brasilien etwa entwickelt die Forschungsorganisation Embrapa bioverstärkte Bohnen und Kürbisse sowie bioverstärkten Maniok. In Uganda und Mosambik pflanzen Bauern eine Provitamin-A-reiche Süßkartoffel an. In Ruanda essen mehr als 500 000 Familien mit Eisen angereicherte Bohnen. In Indien soll es neben der Dhanshakti-Hirse bald Reis und Weizen mit besonders hohem Zinkgehalt geben.
Etwa sieben Millionen Männer, Frauen und Kinder habe man bereits erreicht, sagt Howarth Bouis, Chef des Harvest-Plus-Programms. Bis 2030 sollen eine Milliarde Menschen von bioverstärktem Getreide profitieren. Dass der Plan aufgehen könnte, liegt auch daran, dass Bouis schon früh entschied, die neuen Sorten ausschließlich konventionell zu züchten. “Wir haben uns gegen Gentechnik entschieden, weil wir der Kontroverse aus dem Weg gehen wollten”, sagt er. Zu gut erinnert sich der Harvest-Plus-Chef an den Streit um den sogenannten Goldenen Reis.
Das schon seit 1992 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich entwickelte transgene Gewächs enthält fast doppelt so viel Betacarotin, die Vorstufe von Vitamin A, wie normaler Reis. Trotzdem wurde es bis heute nirgendwo auf der Welt zugelassen. Der öffentliche Widerstand gegen die Gentechnik ist zu groß.
Ohnehin ist gentechnische Trickserei in vielen Fällen überflüssig. Denn häufig gibt es natürliche Sorten, deren Körner die erwünschten Vitamine oder Nährstoffe bereits enthalten. Gerade Reis ist dafür ein gutes Beispiel: Etwa 100 000 Sorten existieren auf der Erde. “Da lässt sich fast jede Eigenschaft finden, die man sich vorstellen kann”, sagt Swaminathan. In den Labors seiner M. S. Swaminathan Research Foundation (MSSRF) in Chennai tüfteln Forscher zum Beispiel an Reis mit hohem Zinkgehalt. Tausende Reislinien haben die Biologen dafür analysiert. Schließlich fand sich ein gutes Dutzend besonders zinkhaltiger Sorten. Diese werden nun mit solchen Sorten gekreuzt, die hohen Ertrag versprechen.
Swaminathan hält allerdings auch den Hightechweg für geeignet, den Hungernden zu helfen. “Ich werde Gentechnik weder feiern noch rundweg ablehnen”, sagt er. “Es ist wichtig, alle Werkzeuge zu nutzen, traditionelles Wissen und moderne Wissenschaft.”
Der Eisengehalt beispielsweise lasse sich in Reis nur schwer mithilfe konventioneller Zucht erhöhen. Stattdessen versuchen es die Forscher in der Petrischale. “Wir haben Gene der Mangrove isoliert und in die Reispflanzen eingeschleust”, erläutert Ganesan Govindan, einer der Biotechnologen an MSSRF. Die transgenen Reiskörner enthalten mehr Eisen. Gleichzeitig sind die Pflanzen salz- und trockentoleranter als zuvor. In zwei bis drei Jahren soll die Sorte marktreif sein.
Gerade solche Hightechlösungen sind jedoch umstritten. In Indiens Hauptstadt Neu-Delhi lebt Vandana Shiva, eine profilierte Gegnerin der modernen Agrartechnik. Das Büro ihrer Organisation Navdanya liegt in Hauz Khas, einem der wohlhabenderen Stadtviertel. Blumen sind auf einem Glastisch hergerichtet. In der Ecke stehen Tonvasen mit Getreidegarben.
Shiva, im wallenden Gewand und mit großem Bindi auf der Stirn, ist eine beeindruckende Erscheinung, gestählt durch den jahrzehntelangen, zähen Kampf mit dem Establishment. Die Bürgerrechtlerin wird nicht müde, die Saatgutkonzerne zu geißeln. “Eine global operierende Industrie versucht mit allen Mitteln, die Welt von ihren Produkten abhängig zu machen”, schimpft sie. Bauern, die einmal umgestiegen seien, würden ihr traditionelles Saatgut aufgeben und müssten die kommerziellen, oft mit Lizenzgebühren belegten Sorten fortan immer und immer wieder kaufen.
“Diese Art von Landwirtschaft hat in Indien 25 000 Bauern in den Selbstmord getrieben, weil sie ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten”, sagt Shiva. Selbst von den bioverstärkten Sorten hält sie nichts. “Die Züchter dieser Pflanzen konzentrieren sich auf jeweils einen einzigen Nährstoff”, kritisiert sie, “dabei braucht der Körper alle diese Spurenelemente.”
Statt solcher “Monokulturen” fordert Shiva die Rückkehr zur Vielfalt auf dem Acker. “Die meisten unserer traditionellen Sorten sind voll mit Nährstoffen”, sagt sie. Warum einen Goldenen Reis mit viel Vitamin A erschaffen, wenn Möhren und Kürbis genug davon enthielten? Warum an gentechnisch veränderten Bananen mit hohem Eisengehalt arbeiten, wenn Meerrettich oder Amaranth ohnehin so viel Eisen enthielten?
Shiva empfiehlt Fruchtfolgen auf dem Acker, Gemüse- und Obstgärten sowie kleine Familienfarmen, deren Hauptziel Ernährung und nicht Gewinnmaximierung ist. 75 000 Bauern hat ihre Organisation seit Ende der Achtzigerjahre im Biolandbau ausgebildet – für Shiva der einzig richtige Weg, den Hunger zu besiegen.
Doch kann Ökolandbau tatsächlich die Lösung sein? Harvest-Plus-Direktor Bouis hält Shivas Ansatz für naiv. “Wir haben das fundamentale Problem, dass wir zu wenig fruchtbares Land für eine ständig wachsende Bevölkerung haben”, sagt er.
70 Prozent mehr Kalorien als heute wird die Landwirtschaft 2050 produzieren müssen, um dann 9,6 Milliarden Menschen zu ernähren, prophezeit ein Report des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Diese “Ernährungslücke” könne nur geschlossen werden, sagt Bouis, “wenn die Landwirtschaft noch produktiver wird”.
Vor Ort in Maharashtra allerdings wird deutlich, dass dafür nicht immer kraftstrotzendes Supergetreide notwendig ist. Einem dritten Bauern aus dem Ort Vadgaon Kashimbe, Santosh Pingle, und seiner Familie geht es sichtbar besser als seinen Nachbarn. Das Haus ist verputzt. Kühe und Ziegen versorgen die Familie mit Milch. Manchmal gibt es sogar Huhn vom Markt. Pingles Erfolgsrezept: Der 38-Jährige hat mehr gemacht aus seinem Land.
Auf einem halben Hektar pflanzt der Bauer die eisenreiche Dhanshakti-Hirse für den Eigenbedarf der fünfköpfigen Familie an. Die andere Hälfte seines Ackerlands ist mit Tomaten und besonders ertragreicher Hybridhirse bestellt. Beides verkaufen die Pingles auf dem Markt.
Gleichzeitig gedeihen im Hausgarten eiweißreiche Bohnen und anderes Gemüse. Zitronen, Kokosnüsse und Mangos erntet Ehefrau Jayashree mit ihren Töchtern mehrfach im Jahr.
“Reichtum und Stärke” – die Pingles sind inzwischen auf einem guten Weg dahin. Und genug zu essen haben sie allemal.
-
Lieber naiv
Von Philip Bethge, DER SPIEGEL 42/2014
Mit großer Gleichgültigkeit nimmt die Welt die Hiobsbotschaften der 12. Biodiversitätskonferenz im südkoreanischen Pyeongchang zur Kenntnis: Die Vernichtung der Vielfalt geht fast ungebremst weiter. Keinesfalls wird es gelingen, wie geplant bis 2020 den Verlust an Artenvielfalt zu stoppen. Innerhalb von nur 40 Jahren sind die Wirbeltierpopulationen der Erde um die Hälfte geschrumpft, warnt der WWF. Die Versauerung der Ozeane bedroht das gesamte Meeresökosystem. Doch dringlich findet das offenbar niemand. Ein fataler Fehler. Denn der Verlust der Biodiversität ist die einzige wirklich irreversible globale Umweltveränderung. Und ohne Vielfalt stirbt auf lange Sicht auch der Mensch.
Beispiel Ernährung: China hat jetzt schon 90 Prozent weniger Weizensorten als noch vor 60 Jahren, Indien 90 Prozent weniger Reissorten. Mangelt es jedoch an genetischen Varianten, können Pflanzen Naturkatastrophen oder Krankheiten nicht überstehen. Ganze Landwirtschaftszweige sind zudem bedroht, wenn Käfer, Bienen oder Schmetterlinge fehlen, die mehr als drei Viertel der wichtigsten Nutzpflanzen bestäuben, von Kürbissen über Äpfel bis zum Klee für die Nutztiere. Ob es neue Wirkstoffe für die Medizin sind, Enzyme und Mikroorganismen für die Biotechnologie oder neue Materialien wie etwa Spinnenseide – oft ist Vielfalt der Schlüssel zum Fortschritt. Und intakte Ökosysteme wirken auch als Ganzes. So wie in New York, wo die Catskill Mountains sauberes Trinkwasser bereitstellen. Oder auf den Philippinen, wo nur intakte Mangrovenwälder die Küste vor Tsunamis schützen können. Dabei kommt es auf jede Art an. Denn Ökosysteme sind wie Netze. Sie reißen, wenn zu viele Maschen fehlen.
Der Zyniker zuckt mit den Schultern. Dann soll sich der Mensch eben ausrotten. Die Natur wird überdauern – in welcher Form auch immer. Ja, auch das ist richtig. Ich will aber kein Zyniker sein. Lieber schlage ich mich auf die Seite der vermeintlich Naiven. Ich will daran glauben, dass wir weitsichtiger, schlauer sind, dass wir noch längst nicht unser Bestes geben. Und ich will noch nicht einmal von der Hoffnung lassen, dass wir die Vielfalt aus einem ganz einfachen Grund erhalten werden: um ihrer selbst willen.
-
Nachtjägers Liebeslied
Von Philip Bethge
Das Männchen der Großen Sackflügelfledermaus wirbt mit Gesang und Spucke um die Gunst des Weibchens. Im Schwirrflug steht der Troubadour vor der Angebeteten in der Luft und singt dabei sein Liebeslied.
Alle paar Sekunden lässt der Fledermäuserich dabei Hautsäcke an seinen Armen aufschnappen. Darin fermentieren Urin, Speichel und andere Körpersekrete – aus Fledermausweibchensicht ein betörender Duft.
“Die Männchen legen sich wahnsinnig ins Zeug”, schwärmt Mirjam Knörnschild. “Sie können sich eine Stunde lang mit einem Weibchen beschäftigen.” Die Biologin von der Universität Ulm blickt hinauf zu den Tieren, die weit oben in einem hohlen Baum vor sich hin flirten. Immer wieder schwirrt der nur etwa sieben Gramm schwere Fledermann vor der Angebeteten, ähnlich wie ein Kolibri vor der Blüte. Die Umworbene hängt derweil kopfüber im Baum und feuert den Minnesänger mit kurzen Schreien an.
“Komm schon, komm schon, wie lange kannst du noch so fliegen?”, übersetzt Knörnschild die Rufe des Weibchens und horcht dann wieder mit dem Ultraschallmikrofon hinein ins Fledermaus-Duett. Die Forscherin ist Expertin für die Fledertier-Minne. Auf Barro Colorado Island, einer Insel mitten im Panamakanal gelegen, lauscht sie dem Singsang der Tiere.
Ein neues Reich der Melodien tut sich auf – Forscher ergründen den Gesang der Fledermäuse. Bislang waren die Nachtjäger vor allem für ihre kurzen Ultraschalllaute bekannt, mit denen sie noch in pechschwarzer Nacht unfallfrei durchs Dickicht navigieren. Inzwischen jedoch zeigt sich: Auch liebliches Liedgut gehört zum Repertoire. Viele Fledermäuse singen wie Vögel.
Ein Trillern, Tschirpen und Tirilieren hallt durch hohle Bäume, düstere Höhlen und alte Gemäuer. Ausgefeilt wie Nachtigallenjubel erweisen sich manche der Gesänge. Und viele der Melodien sind sogar erlernt: Einige Fledermäuschen gehen bei ihren Eltern in die Gesangsschule – das macht ansonsten nur der Nachwuchs von Menschen, Elefanten, Walen, von Delfinen, manchen Robben und vielen Vögeln.
–>> Geschichte auf Spiegel.de lesen
“Vokales Lernen ist sehr selten im Tierreich”, erläutert Tecumseh Fitch, Kognitionsbiologe an der Universität Wien, der sich auf Tierkommunikation spezialisiert hat. Dass nun ausgerechnet die Flattertiere Melodien pauken, erscheint Fitch als pures Forscherglück. “Fledermäuse sind Säugetiere”, sagt er, “ihr Gehirn funktioniert ähnlich wie unseres.”
Anders als etwa Delfine oder Elefanten ließen sich die Tiere zudem relativ problemlos im Labor untersuchen. “Ich glaube, dass Fledermäuse uns dabei helfen werden, die Evolution der menschlichen Sprache besser zu verstehen”, schwärmt Fitch.
Das Konzert der Fledermäuse blieb lange Zeit unentdeckt, weil die Tiere es großteils außerhalb der Hörwelt des Menschen vorführen. Doch dank tragbarer Ultraschallmikrofone und Digitaltechnik für die Audiobearbeitung lässt sich die kleine Nachtmusik der Tiere immer besser erforschen. Dabei zeigt sich: Singende Fledermäuse finden sich allerorten.
In Ostafrika brummelt die Herznasenfledermaus ihre Territorialgesänge durch die Nacht. Sie singt so tief, dass die Lieder auch für den Menschen gut zu hören sind. Von Brasilien bis Mexiko wiederum trällern die Männchen der Mexikanischen Bulldoggfledermaus. Die Biologin Kirsten Bohn von der Florida International University hat herausgefunden, dass die Tiere dabei sogar eine Art Syntax verwenden. Ihr Tschirpen und Summen kombinieren sie zu Satzteilen, diese Teile wiederum zu komplexen Songs. Die Abfolge passen sie dabei der jeweiligen sozialen Situation an.
Auch in Deutschland singen die Fledertiere. Gerade jetzt ist für den Großen Abendsegler Paarungszeit. Die Männchen setzen sich in den Abendstunden und nachts an sogenannte Balzwarten, zum Beispiel vor Baumhöhlen. Dort singen sie – um ihr Revier zu verteidigen und um Weibchen anzulocken. Im Herbst balzt auch die Zweifarbfledermaus. Eigentlich ist sie an Felswänden heimisch. Jetzt fliegt sie häufig in der Nähe von hohen Häusern und Kirchen.
Am besten lassen sich die Freiluftkonzerte der Flugsäuger allerdings in den Tropen erforschen. Dort gibt es nicht nur sehr viele Fledermausarten. Den Wissenschaftlern hilft auch, dass viele der Tiere weder wegziehen noch in den Winterschlaf fallen.
Panamas Barro Colorado Island gehört zu den fledermausreichsten Weltgegenden überhaupt. Die vor mehr als hundert Jahren beim Bau des Panamakanals entstandene Insel ist eine Art riesiges Freilandlabor. Wer hier mit dem Boot ankommt, fühlt sich wie im Kinohit “Jurassic Park”. Dichter Regenwald reicht bis hinunter ans Ufer. Dort warnen Schilder vor den zahlreichen Krokodilen.
An einer kleinen Bucht liegt die Forschungsstation des Smithsonian Tropical Research Institute. Wissenschaftler aus aller Welt mieten sich für Wochen oder Monate ein, um die einzigartige Lebenswelt des fast unberührten Dschungels zu studieren.
Mirjam Knörnschild kommt seit über zehn Jahren regelmäßig hierher. Sie nennt die Anlage den “Club Med” unter den Forschungsstationen. Dreimal am Tag gibt es Kantinenessen. Duschen und Ventilatoren helfen gegen die schwüle Hitze, die schwer wie eine Dunstglocke über den gelb getünchten Gebäuden liegt.
Die Biologin wartet am Anleger in Badelatschen, Multifunktionshose und Trägerhemdchen. Das blonde Haar hat die 35-Jährige zum Pferdeschwanz gebündelt. Ihr Büro liegt im zweiten Stock eines der Hauptgebäude. Schon auf dem Weg gibt es erste Fledermäuse zu sehen. Wie riesige dunkle Käfer krallen sie sich unter dem Vordach des Hauses kopfunter an die Wand. Deutlich sichtbar sind die Tiere mit bunten Ringen, die ihnen Knörnschild angelegt hat, an den Flügeln markiert. “Ich kenne hier jede Fledermaus persönlich”, scherzt die Forscherin.
Große Sackflügelfledermäuse leben in Kolonien. Typischerweise schare ein Männchen einen Harem von zwei bis acht Weibchen um sich, die allerdings ausgesprochen wählerisch seien, erzählt Knörnschild. Obschon die Paarungszeit nur wenige Wochen dauert, muss der Fledermann die Damen das ganze Jahr über mit Gesang bezirzen – sonst macht sich die Flederfrau auf und davon zum Nachbar-Barden. Gleichzeitig muss der Fledermäuserich sein Revier verteidigen. Auch das erledigt er vor allem musikalisch.
Wer die Tiere dabei belauschen will, macht sich am besten gegen Abend auf den Weg. Fast windstill ist es an diesem Tag unter hellgrauem Himmel. Das kleine Motorboot der Biologen schneidet seine ruhige Spur durch das graugrüne Wasser des Panamakanals, der sich hier zum Gatúnsee weitet. Nach kurzer Fahrt um die Insel ist ein kleiner Anleger erreicht, dort ein paar Gebäude, eine Lichtung, dahinter dichter Wald. Tukane rufen rau. Tauben gurren. Kapuzineraffen hangeln mit Getöse durch die Bäume. Über allem liegt der monotone Gesang der Zikaden.
Die Großen Sackflügelfledermäuse leben unter dem überhängenden Dach eines kleinen Steinhauses. Noch dösen die Tiere. Knörnschild und ihr Kollege, der Biologe Thomas Hiller, spannen Fangnetze aus feinen Plastikfäden auf, die kaum sichtbar und auch per Echoortung schwierig zu entdecken sind. Dann startet Knörnschild ihren Lauschangriff. Ihr Richtmikrofon erfasst Frequenzen von bis zu 460 Kilohertz. Für das menschliche Ohr ist schon bei rund 20 Kilohertz Schluss.
Bald beginnt der Balzgesang der Männchen, ein feines Gezwitscher, “am ehesten mit Nachtigallengesang vergleichbar”, sagt Knörnschild. Auf dem angeschlossenen Laptop kann die Biologin den Frequenzgang der Laute direkt grafisch verfolgen.
Kurze Zeit später fangen die Barden der Nacht mit ihren Territorialgesängen an, rasend schnellen Abfolgen harter, rauer Silben, von denen ein Teil auch ohne Technik zu hören ist. Zwischendurch blitzen immer wieder die kurzen, hochfrequenten Echoortungslaute auf dem Bildschirm auf.
Und auch das Singen einiger Jungtiere ist bald zu erahnen. “Babbeln” nennt Knörnschild die piepsigen Laute. “Die Jungen durchlaufen eine Phase, die mit der Plapperphase von Kleinkindern vergleichbar ist”, sagt sie, “dabei mixen sie ganz wild Sachen aus dem Lautrepertoire ihrer Eltern zusammen, offenbar um zu üben.”
Knörnschild nimmt die Gesänge seit Jahren auf. Manchmal stellt sie auch Lautsprecherboxen in den Dschungel und spielt den Tieren Aufnahmen von Artgenossen vor. Die Forschungsergebnisse zeigen, wie vielseitig der Singsang ist. Große Sackflügelfledermäuse können sich beispielsweise individuell an ihren Gesängen erkennen. Bestimmte Triller nennt Knörnschild sogar “Passwörter”: Sie signalisieren die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe.
Die Balzgesänge wiederum sind wahre Werbebotschaften. “Die Weibchen scheinen auf Vielfalt Wert zu legen”, erläutert Knörnschild, “wir haben Hinweise, dass sich Männchen, die variabler und tieffrequenter singen, erfolgreicher fortpflanzen.” Der mit der schönsten Ballade und der tiefsten Stimme wird also auch bei Fledermäusen schnell zum Frauenschwarm.
Und wahrscheinlich gibt es – ähnlich wie bei Walen – sogar Dialekte. So singen die Großen Sackflügelfledermäuse Panamas beispielsweise anders als jene in Costa Rica. Dort wiederum hören sich die Fledermaussongs an der Atlantikküste etwas anders an als am Pazifik. Die beiden Populationen sind durch eine Vulkankette in der Mitte des Landes getrennt.
“Für die Fledermäuse ist der Gesang eine sehr effektive Art zu kommunizieren”, fasst Knörnschild zusammen. Die Biologin klappt jetzt ihren Laptop zu. Das Konzert ist für diesen Abend vorbei. Die Dunkelheit kommt schnell in den Tropen, und die ersten Tiere verlassen nun die Kolonie, um den nächtlichen Raubzug zu starten. Bald zappeln einige von ihnen im aufgespannten Fangnetz der Forscher.
Vorsichtig löst Knörnschild die zarten Tiere heraus und beginnt, sie zu vermessen. Unterarmlänge, Gewicht und Gesundheitszustand notiert die Biologin. Aus der Flügelhaut entnimmt sie mit einer Art Locher eine Gewebeprobe für die Erbgutanalyse (das Loch wächst nach einigen Tagen wieder zu). Dann werden die Tiere mit routinierten Griffen beringt. Nachdem die Prozedur überstanden ist, entlässt Knörnschild die Fledermäuse, eine nach der anderen, zurück in die feuchte Tropennacht.
Warum singen die Fledermäuse so vielseitig und ausdauernd? Die meisten Säugetiere sind reichlich einsilbig. Hunde bellen. Pferde wiehern. Katzen miauen. Selbst Schimpansen verfügen über ein Repertoire von nur etwa 15 Lauten.
Anders manche Fledermäuse: Sie jubilieren, variieren, kopieren. Einige der Tiere könnten gar in der Lage sein, nicht nur als Jungtiere, sondern ihr ganzes Leben lang neue Gesänge zu erlernen, vermuten die Forscher. Warum nur? Eine Theorie: Ihr komplexes Sozialleben könnte die Quasselei hervorgebracht haben.
Auch für den Menschen wird die Hypothese der sogenannten Machiavellischen Intelligenz diskutiert: Soziale Expertise treibt demnach die Evolution von Intelligenz voran, auch die von Sprache. Wer sich in der Gruppe zurechtfinden muss – sei es für die Jagd, die Balz oder die Aufzucht der Jungen -, dem nützt es, viel zu quatschen. Bei den Fledermäusen konnte Knörnschild die Theorie schon testen. Fünf Arten hat sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Martina Nagy verglichen. Tatsächlich zeigt sich: Je komplexer das Sozialgefüge, desto komplexer die Gesänge.
Eine andere Theorie: Tiere, die viel schwatzen, tun es schlicht deshalb, weil es ihnen möglich ist. Schimpansen etwa ist es anatomisch verwehrt, komplexere Laute
zu produzieren. Der Mensch hingegen ist dafür mit seinem tief liegenden Kehlkopf bestens ausgerüstet.
Ähnlich die Fledermäuse: Für die Echoortung haben sie einen Stimmapparat entwickelt, der sich auch für die Kommunikation eignet. Gleiches gilt zum Beispiel für Delfine, die sich ebenfalls per Ultraschall orientieren.
“Bei diesen Tieren war die Anatomie der Stimme ja schon vorhanden”, erläutert Fitch. “Um auch kommunizieren zu können, mussten sie diese Fähigkeit nur weiterentwickeln.”
Die schönste Theorie indes führt die Sprachevolution auf die Liebe zurück. Schon Darwin vermutete: Sprache entstand schlicht deshalb, weil Weibchen Männchen gern singen hörten. Auch der Mensch – genauer der Mann – war demnach erst Sänger, dann Plaudertasche.
“Das Männchen singt ,Scoobie-du-bi-dab-dab-doubi-du’”, erläutert Fitch, “das Weibchen denkt ,Wow, ich mag dieses Lied’.” Auch ein Duett mag der Ursprung des Gesprächs gewesen sein, sagt der Kognitionsforscher. Einige Primaten singen bis heute zu zweit. Die Gibbons Südostasiens etwa: Bei ihnen sei das Duett “Teil des musikalischen Werbens, aber auch ein Signal an alle anderen, dass dort zwei zusammengehören und die Partnerschaft gut funktioniert”, sagt Fitch.
Die Fledermaus-Gesangsforschung, so hoffen die Forscher nun, soll derlei Hypothesen weiter erhärten. Rund 960 Fledermausarten leben auf der Erde. Bislang haben Biologen nur etwa 20 von ihnen beim Singen ertappt. “Da gibt es noch sehr viel zu entdecken”, sagt Knörnschild.
Gerade hat sie die letzte Fledermaus von ihrer Hand aus zurück in die Nacht starten lassen. Stockdunkel ist es inzwischen im Dschungel Panamas geworden. Im Schein ihrer Kopflampen packen die Biologen ihre Fangnetze zusammen und bringen alles zurück zum Boot, während die Mücken das unerwartet reichhaltige Abendmahl aus Forscherblut feiern.
Beim Ablegen blickt Knörnschild zurück auf den dunklen Wald. Am Rand des Dickichts jagen nun die Großen Sackflügelfledermäuse nach den Insekten der Nacht. Morgen früh werden die Männchen in ihre Kolonien zurückkehren und jeder ihrer Liebsten bei Ankunft jeweils eine neue Ballade widmen.
Die Nacht ist hier voller Lieder – und für die Liebe singen sich wohl auch Fledermäuseriche fast um den Verstand.