Des Totengräberkäfers Geschäft ist Leichenfledderei. Immer wenn etwas stirbt, im Wald oder auf der Flur, krabbelt er heran, gelockt vom Odem des Todes.
Aus einigen Kilometer Entfernung kann das kaum zwei Zentimeter lange Insekt Witterung aufnehmen. Hat es ein totes Tier gefunden, einen Maulwurf etwa oder ein Vogeljunges, fängt es an zu buddeln und wird nicht müde, bis das Aas unter der Erde ist. Dort, in dieser Grabeshöhle, betupft der Käfer den Korpus mit Sekreten gegen die Verwesung. Ein anderer Saft verflüssigt den Kadaver dann zu Babybrei: Der Totengräber füttert seine Larven mit der stinkenden Fleischsoße.
Appetitlich klingt das nicht. Doch Forscher sind begeistert von dem morbiden Kerbtier. Denn was der Totengräber mit seinen Körpersäften schafft, würde sich der Mensch gern zunutze machen.
“Wie gelingt es einem so kleinen Käfer, eine komplette Maus zu konservieren und zu verflüssigen?”, fragt der Gießener Insektenforscher Andreas Vilcinskas, 51. “Das ist, als würde ich Sie anspucken und Sie lösten sich mit Haut und Haaren auf!”
Der Totengräberkäfer sei ganz offenbar dazu in der Lage, extrem wirkungsvolle Konservierungsstoffe und Enzyme zu produzieren, sagt Vilcinskas. Und noch mehr erfreut den Forscher: “Ein solcher Kadaverbewohner muss eine tolle Immunabwehr haben.” Die einst, so die Hoffnung, auch dem Menschen Gesundheit schenken kann.
Vilcinskas ist Leiter des Loewe Zentrums für Insektenbiotechnologie & Bioressourcen in Gießen. Krabbeltiere sind seine Leidenschaft. Doch nicht Antennenlänge oder Gliederzahl interessieren den Professor – er begeistert sich für die inneren Werte der Tiere. “Jedes einzelne Insekt ist ein prall gefüllter Wirkstoffschrank”, sagt der Entomologe. Die Sechsbeiner seien die erfolgreichste Tiergruppe auf Erden, “und ich bin überzeugt, dass ihre Vielfalt sich auch in den Molekülen widerspiegelt, die sie produzieren”.
Vilcinskas glaubt, Wirkstoffe aus den kleinen Körpern gewinnen zu können, die Krankheitserreger bekämpfen oder Getränke haltbar machen; er hofft auf Medikamente ….