Author: Philip Bethge
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Video-Serie: Welt retten! Jetzt!
Welt retten! Jetzt!
SPIEGEL-Wissenschaftsredakteur Philip Bethge alias Dr. Phil erklärt, was jeder jeden Tag tun kann, um die Welt zu retten. Team: Olaf Heuser, Alexander Epp, Michael Walter / (c) DER SPIEGEL – Zu viel Fleisch – Der wahre Preis der Mode – Weg mit Plastik
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SPIEGEL-Gespräch an der Uni: Wie schlimm steht es um die Ozeane?
Die Ozeane stehen unter enormem Druck. Rund 4,6 Millionen Fischerboote machen weltweit Jagd auf Meeresbewohner aller Art. Über 80 Millionen Tonnen Meeresgetier ziehen Fischer jährlich aus dem Wasser. Dieser Gesamtfang hat sich seit den Neunzigerjahren trotz immer besserer Fangmethoden nicht mehr steigern lassen. Selbst Europa importiert mittlerweile mehr als die Hälfte seines Fischbedarfs, weil es nicht gelingt, ausreichend Meeresfrüchte in den eigenen Gewässern zu fangen.
Die Folge: Die Weltmeere verändern sich rapide. 90 Prozent der großen Fische sind verschwunden. Die Hälfte der Korallenriffe ist verloren oder stark beschädigt. Nur 3,4 Prozent der Meere sind als Schutzgebiete ausgewiesen. Gleichzeitig ist Fisch für über drei Milliarden Menschen die wichtigste Quelle tierischen Proteins. Gelingt es nicht, die Meere nachhaltig zu bewirtschaften, könnte sich die Ozeankrise schnell zu einer Ernährungskrise ausweiten.
Wie lassen sich die Ozeane nutzen ohne sie zu zerstören? Was ist die Menschheit bereit, für den Erhalt der Meere und seiner Bewohner zu opfern? Und: Sind die Meere überhaupt in einer historischen Krise, wie Umweltschützer warnen – oder nutzt der Mensch den Ozean heute schon nachhaltiger als seinen eigenen Lebensraum, das Land?
Darüber diskutiert SPIEGEL-Wissenschaftsredakteur Philip Bethge mit Thilo Maack, Greenpeace-Experte für Meere und Biologe, und Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock.
Zeit: am Montag, 14. November 2016, 18 Uhr
Ort: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Christian-Albrechts-Platz 2, 24118 Kiel; Audimax (Frederik-Paulsen-Hörsaal)
Der Eintritt ist frei.
Informationen zu dieser und weiteren SPIEGEL-Veranstaltungen an Hochschulen finden Sie auf unserer Website DER SPIEGEL live.
Seit dem Sommersemester 2007 diskutieren SPIEGEL-Redakteure regelmäßig an zahlreichen Hochschulen mit prominenten Gästen. Die SPIEGEL-Gespräche live an Universitäten begannen mit Harald Schmidt und einer Debatte über TV-Satire und dem Bestsellerautor Daniel Kehlmann über “Filme, Bücher, schöne Frauen”.
Etliche weitere Gespräche folgten, darunter Diskussionen mit Joschka Fischer, Götz Aly, Hans-Christian Ströbele, Hartmut Mehdorn, Joe Kaeser, Claudia Roth, Cem Özdemir, Charlotte Roche, Gesine Schwan, Sascha Lobo und Nasa-Manager Jesco Freiherr von Puttkamer.
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Angriff auf die Natur
Ein Kommentar von Philip Bethge, DER SPIEGEL 27/2016
Die Briten haben ja recht: Manchmal nervt die EU wirklich. Derzeit zum Beispiel will Brüssel die Naturschutzrichtlinien aufweichen. Europa ist von einem Netz aus 27 000 Schutzgebieten überzogen, das in Deutschland zum Beispiel Gelbbauchunke, Luchs, Schweinswal, Bauchige Windelschnecke und Sumpf-Glanzkraut besonders schützen soll. Dieses „Natura 2000“-System ist weltweit angesehen. Selbst viele Unternehmen schätzen die geltenden Vorschriften als guten Kompromiss.
Ausgerechnet die EU-Kommission stellt nun alles infrage. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die Naturschutzrichtlinien einem „Fitness-Check“ unterziehen, angeblich um sie zu „entbürokratisieren“. Wirtschaftsliberale Kreise und Landnutzer wie die Waldbesitzer, Jäger und Bauern des deutschen „Aktionsbündnisses Forum Natur“ wittern ihre Chance. Ist das Gesetz erst aufgebohrt, lässt es sich leichter abschwächen, so hoffen sie wohl.
Das EU-Parlament allerdings hat sich bereits mehrheitlich für das „Natura 2000“-System ausgesprochen. Vor allem aber hat Juncker seine eigenen Fachleute gegen sich, die den bestehenden Richtlinien in einer Studie große Effizienz bescheinigen. Ihr Fazit: Die EU-Naturschutzgesetzgebung könnte fitter kaum sein.
Die Öffentlichkeit weiß von dem internen Hickhack nur, weil die Evaluierungsstudie geleakt wurde. Juncker selbst weigert sich, das Papier herauszugeben. Naturschutzverbände fürchten, dass Lobbyisten in Junckers Umfeld dabei sind, das Ansehen der EU bei Millionen naturbewussten Bürgern zu verspielen.
In der Tat sollte Juncker den „Fitness-Check“ schnell stoppen. Gerade in Brexit-Zeiten könnte er dadurch ein Zeichen setzen, was die Gemeinschaft leisten kann. Ja, die EU nervt manchmal. Doch für den Naturschutz war sie bislang ein Segen – übrigens auch für Englands Landschaften. Die Ironie dabei: Einer der Autoren der EU-Naturschutzrichtlinien war Stanley Johnson – der Vater des heutigen Brexit-Anführers Boris.
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Selber töten
Warum das vollautonome Auto gar nicht erst entwickelt werden sollte
Ein Kommentar von Philip Bethge, DER SPIEGEL 26/2016
Es könnte bald Autos geben, die unter bestimmten Bedingungen vollautomatisch entscheiden, Fußgänger zu überfahren. Möchten Sie in einem solchen Auto sitzen? Ich nicht.
Das Szenario ist keineswegs so absurd, wie es klingt. Forscher der Universitäten Toulouse und Oregon sowie des Massachusetts Institute of Technology haben jetzt durchgespielt, was geschähe, wenn vollautonome Autos durch die Straßen rollten. Die gute Nachricht: Die Zahl der Unfälle nähme um bis zu 90 Prozent ab. Die schlechte: Bei den verbleibenden 10 Prozent stünde das Auto häufig vor einem entsetzlichen Dilemma. Wie soll es reagieren, wenn fünf Passanten plötzlich auf die Straße stürmen und der Bremsweg nicht reicht? Die Fußgänger überrollen oder gegen die nächste Wand rauschen und die Insassen töten?
Die meisten Menschen, so das Ergebnis der Studie, entscheiden sich dafür, die Passanten zu schonen, und wünschen sich Autos, die im Zweifel die Passagiere opfern. Werden sie dann jedoch gefragt, ob sie ein solches Auto kaufen würden, verneinen sie. Am Ende würden wir, so die Forscher, unsere Moral eben doch über Bord werfen und uns für Gefährte entscheiden, die nicht uns selbst, sondern die Fußgänger töten.
Aber das kann ja nicht die Lösung sein. Auch wenn er den Fortschrittsapologeten und Technikträumern nicht in den Sinn kommen mag – ein gänzlich anderer Ausweg aus dem Dilemma bietet sich an: Wir sollten einfach auf die Vollautomatik verzichten. Sie ist eine Ingenieursfantasie, die die Welt nicht braucht. Wenn halbautonome Wagen uns dabei helfen, die Ödnis der Autobahn zu meistern, ist dagegen nichts zu sagen. Dem Fahrer jedoch noch das letzte Stück seines Weges durch die Stadt oder die Dörfer abnehmen zu wollen produziert Maschinen, die uns das Maß unseres Mitgefühls diktieren.
Die IT- und Autofirmen sollten vom Kontrollwahn ablassen und ihren Intellekt darauf verwenden, neue Verkehrskonzepte jenseits des Individualverkehrs zu entwerfen. Damit wäre der Welt tatsächlich geholfen.