Interview mit Jane Goodall: “Ö-hö-hö-hö-hö-hö”
Interview mit Jane Goodall: “Ö-hö-hö-hö-hö-hö”

Interview mit Jane Goodall: “Ö-hö-hö-hö-hö-hö”

Jane Goodall beobachtete jahrelang wilde Schimpansen. Sie entdeckte, dass die Tiere morden und Krieg führen. Als Ökoaktivistin hat die Britin inzwischen mehr mit Menschen zu tun – und glaubt immer noch an das Gute in uns.

Von Philip Bethge und Johann Grolle

Als Kind las Goodall gern die Geschichten über den Arzt Doktor Dolittle; sie entfachten ihre Liebe zur wilden Kreatur. Mit 23 brach sie nach Afrika auf, lernte dort den Paläoanthropologen Louis Leakey kennen und studierte in dessen Auftrag die Schimpansen des Gombe-Stream-Schutzgebiets in Tansania. Goodall beobachtete erstmals Werkzeuggebrauch und Kriegsführung bei den engsten Menschenverwandten und wurde dadurch zur berühmtesten Primatenforscherin der Welt. 1986 veröffentlichte sie ihr Hauptwerk, “The Chimpanzees of Gombe. Patterns of Behavior”. Kurz darauf ließ sie die Forschung hinter sich, um ihr Leben ganz dem Schutz der Schimpansen und der Erhaltung der Natur zu widmen. Als Öko-Kämpferin zieht Goodall heute an 300 Tagen im Jahr um den Globus. Das Jugendprogramm “Roots & Shoots” des Jane Goodall Institute findet in mehr als 130 Ländern statt. Die 81-jährige Britin ist Friedensbotschafterin der Vereinten Nationen und trägt den Orden “Dame Commander of the Order of the British Empire”. Seit mehr als 20 Jahren, sagt sie, habe sie nicht länger als drei Wochen im selben Bett geschlafen.

SPIEGEL: Dr. Goodall, in der ersten Hälfte Ihres beruflichen Lebens befassten Sie sich mit Schimpansen, in der zweiten mit Menschen. Hat Ihnen Ihr Wissen über die einen beim Umgang mit den anderen geholfen?

Goodall: Ich glaube schon. Bei den Schimpansen habe ich viel über nonverbale Kommunikation gelernt. Was uns von ihnen unterscheidet, ist nämlich vor allem, dass sie keine Wörter kennen. Alles andere ist fast gleich: Küssen, Umarmen, Prahlen, Fäusteschütteln. All das habe ich bei den Schimpansen studiert – was mich befähigt, auch Menschen gut zu verstehen. Wenn Sie zum Beispiel jemanden ertappen, wie er einen Fehler macht, zuckt er zusammen und windet sich. Er wird Ihnen dann nicht mehr zuhören, sondern nur überlegen, wie er zum Gegenangriff übergehen kann. Um jemanden wirklich zu überzeugen, müssen Sie sein Herz erreichen.

SPIEGEL: Wie das?

Goodall: Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Treffen mit dem chinesischen Umweltminister. Ich wollte ihn dazu bringen, unser Jugendprogramm Roots & Shoots in chinesischen Schulen zuzulassen. Aber er sprach kein Englisch, und so saßen wir da, zwischen uns ein Übersetzer, und ich hatte nur zehn Minuten Zeit. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte: “Wäre ich ein weiblicher Schimpanse, dann wäre ich sehr töricht, wenn ich ein hochrangiges Männchen nicht untertänig begrüßen würde”, und ich machte unterwürfig: “Ö-hö-hö-hö-hö-hö.” Das Männchen, so sagte ich weiter, müsse nun das Weibchen großmütig streicheln, und dabei nahm ich seine Hand. Ich merkte, wie sie sich verkrampfte, aber ich gab nicht auf und führte seine Hand auf meinen Kopf. Erst war es totenstill, aber dann begann er zu lachen. Am Ende redeten wir anderthalb Stunden lang, und seither gibt es Roots & Shoots an chinesischen Schulen.

SPIEGEL: Sie sind hier in New York, um auf dem Nachhaltigkeitsgipfel der Uno aufzutreten. Was geschieht, wenn so viele hochrangige Männchen zusammenkommen?

Goodall: Vor allem: zu viel Gerede. Ich will nicht behaupten, solche Gipfel seien pure Zeitverschwendung, aber ihre Ergebnisse sind meist enttäuschend.

SPIEGEL: Vielleicht ist der Mensch, von Natur aus eigennützig und auf kurzfristigen Nutzen bedacht, nicht geschaffen, um die Probleme des Planeten zu lösen?

Goodall: Das müssen wir aber. Wir haben uns von der Natur abgewandt. Stattdessen geht es nur um Geld und Macht. Wir müssen wieder zurück zur Natur finden, um diesen Planeten zu retten.

SPIEGEL: Wenn die Idee der Nachhaltigkeit aber unserer Natur zuwiderläuft?

Goodall: Das tut sie ja gar nicht. Selbst Schimpansen verstehen diese Idee. In einem Baum voller Früchte pflücken sie nur diejenigen, die reif sind. Die anderen lassen sie hängen. Das ist nichts anderes als Nachhaltigkeit.

SPIEGEL: Ein anderes politisches Thema, das uns derzeit in Europa umtreibt, ist die Flüchtlingskrise. Was sagen Sie als Primatologin: Liegt es in unserer Natur, Fremde willkommen zu heißen?

Goodall: Nein. Primaten sind sehr territorial. Es entspricht ihrer Natur, ihre Nahrungsressourcen, Weibchen und Jungtiere zu schützen. Das erklärt …..

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