Tag: climate change
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SPIEGEL-Gespräch an der Uni: Wie schlimm steht es um die Ozeane?
Die Ozeane stehen unter enormem Druck. Rund 4,6 Millionen Fischerboote machen weltweit Jagd auf Meeresbewohner aller Art. Über 80 Millionen Tonnen Meeresgetier ziehen Fischer jährlich aus dem Wasser. Dieser Gesamtfang hat sich seit den Neunzigerjahren trotz immer besserer Fangmethoden nicht mehr steigern lassen. Selbst Europa importiert mittlerweile mehr als die Hälfte seines Fischbedarfs, weil es nicht gelingt, ausreichend Meeresfrüchte in den eigenen Gewässern zu fangen.
Die Folge: Die Weltmeere verändern sich rapide. 90 Prozent der großen Fische sind verschwunden. Die Hälfte der Korallenriffe ist verloren oder stark beschädigt. Nur 3,4 Prozent der Meere sind als Schutzgebiete ausgewiesen. Gleichzeitig ist Fisch für über drei Milliarden Menschen die wichtigste Quelle tierischen Proteins. Gelingt es nicht, die Meere nachhaltig zu bewirtschaften, könnte sich die Ozeankrise schnell zu einer Ernährungskrise ausweiten.
Wie lassen sich die Ozeane nutzen ohne sie zu zerstören? Was ist die Menschheit bereit, für den Erhalt der Meere und seiner Bewohner zu opfern? Und: Sind die Meere überhaupt in einer historischen Krise, wie Umweltschützer warnen – oder nutzt der Mensch den Ozean heute schon nachhaltiger als seinen eigenen Lebensraum, das Land?
Darüber diskutiert SPIEGEL-Wissenschaftsredakteur Philip Bethge mit Thilo Maack, Greenpeace-Experte für Meere und Biologe, und Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock.
Zeit: am Montag, 14. November 2016, 18 Uhr
Ort: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Christian-Albrechts-Platz 2, 24118 Kiel; Audimax (Frederik-Paulsen-Hörsaal)
Der Eintritt ist frei.
Informationen zu dieser und weiteren SPIEGEL-Veranstaltungen an Hochschulen finden Sie auf unserer Website DER SPIEGEL live.
Seit dem Sommersemester 2007 diskutieren SPIEGEL-Redakteure regelmäßig an zahlreichen Hochschulen mit prominenten Gästen. Die SPIEGEL-Gespräche live an Universitäten begannen mit Harald Schmidt und einer Debatte über TV-Satire und dem Bestsellerautor Daniel Kehlmann über “Filme, Bücher, schöne Frauen”.
Etliche weitere Gespräche folgten, darunter Diskussionen mit Joschka Fischer, Götz Aly, Hans-Christian Ströbele, Hartmut Mehdorn, Joe Kaeser, Claudia Roth, Cem Özdemir, Charlotte Roche, Gesine Schwan, Sascha Lobo und Nasa-Manager Jesco Freiherr von Puttkamer.
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Interview mit Jane Goodall: “Ö-hö-hö-hö-hö-hö”
Von Philip Bethge und Johann Grolle
Als Kind las Goodall gern die Geschichten über den Arzt Doktor Dolittle; sie entfachten ihre Liebe zur wilden Kreatur. Mit 23 brach sie nach Afrika auf, lernte dort den Paläoanthropologen Louis Leakey kennen und studierte in dessen Auftrag die Schimpansen des Gombe-Stream-Schutzgebiets in Tansania. Goodall beobachtete erstmals Werkzeuggebrauch und Kriegsführung bei den engsten Menschenverwandten und wurde dadurch zur berühmtesten Primatenforscherin der Welt. 1986 veröffentlichte sie ihr Hauptwerk, “The Chimpanzees of Gombe. Patterns of Behavior”. Kurz darauf ließ sie die Forschung hinter sich, um ihr Leben ganz dem Schutz der Schimpansen und der Erhaltung der Natur zu widmen. Als Öko-Kämpferin zieht Goodall heute an 300 Tagen im Jahr um den Globus. Das Jugendprogramm “Roots & Shoots” des Jane Goodall Institute findet in mehr als 130 Ländern statt. Die 81-jährige Britin ist Friedensbotschafterin der Vereinten Nationen und trägt den Orden “Dame Commander of the Order of the British Empire”. Seit mehr als 20 Jahren, sagt sie, habe sie nicht länger als drei Wochen im selben Bett geschlafen.
SPIEGEL: Dr. Goodall, in der ersten Hälfte Ihres beruflichen Lebens befassten Sie sich mit Schimpansen, in der zweiten mit Menschen. Hat Ihnen Ihr Wissen über die einen beim Umgang mit den anderen geholfen?
Goodall: Ich glaube schon. Bei den Schimpansen habe ich viel über nonverbale Kommunikation gelernt. Was uns von ihnen unterscheidet, ist nämlich vor allem, dass sie keine Wörter kennen. Alles andere ist fast gleich: Küssen, Umarmen, Prahlen, Fäusteschütteln. All das habe ich bei den Schimpansen studiert – was mich befähigt, auch Menschen gut zu verstehen. Wenn Sie zum Beispiel jemanden ertappen, wie er einen Fehler macht, zuckt er zusammen und windet sich. Er wird Ihnen dann nicht mehr zuhören, sondern nur überlegen, wie er zum Gegenangriff übergehen kann. Um jemanden wirklich zu überzeugen, müssen Sie sein Herz erreichen.
SPIEGEL: Wie das?
Goodall: Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Treffen mit dem chinesischen Umweltminister. Ich wollte ihn dazu bringen, unser Jugendprogramm Roots & Shoots in chinesischen Schulen zuzulassen. Aber er sprach kein Englisch, und so saßen wir da, zwischen uns ein Übersetzer, und ich hatte nur zehn Minuten Zeit. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte: “Wäre ich ein weiblicher Schimpanse, dann wäre ich sehr töricht, wenn ich ein hochrangiges Männchen nicht untertänig begrüßen würde”, und ich machte unterwürfig: “Ö-hö-hö-hö-hö-hö.” Das Männchen, so sagte ich weiter, müsse nun das Weibchen großmütig streicheln, und dabei nahm ich seine Hand. Ich merkte, wie sie sich verkrampfte, aber ich gab nicht auf und führte seine Hand auf meinen Kopf. Erst war es totenstill, aber dann begann er zu lachen. Am Ende redeten wir anderthalb Stunden lang, und seither gibt es Roots & Shoots an chinesischen Schulen.
SPIEGEL: Sie sind hier in New York, um auf dem Nachhaltigkeitsgipfel der Uno aufzutreten. Was geschieht, wenn so viele hochrangige Männchen zusammenkommen?
Goodall: Vor allem: zu viel Gerede. Ich will nicht behaupten, solche Gipfel seien pure Zeitverschwendung, aber ihre Ergebnisse sind meist enttäuschend.
SPIEGEL: Vielleicht ist der Mensch, von Natur aus eigennützig und auf kurzfristigen Nutzen bedacht, nicht geschaffen, um die Probleme des Planeten zu lösen?
Goodall: Das müssen wir aber. Wir haben uns von der Natur abgewandt. Stattdessen geht es nur um Geld und Macht. Wir müssen wieder zurück zur Natur finden, um diesen Planeten zu retten.
SPIEGEL: Wenn die Idee der Nachhaltigkeit aber unserer Natur zuwiderläuft?
Goodall: Das tut sie ja gar nicht. Selbst Schimpansen verstehen diese Idee. In einem Baum voller Früchte pflücken sie nur diejenigen, die reif sind. Die anderen lassen sie hängen. Das ist nichts anderes als Nachhaltigkeit.
SPIEGEL: Ein anderes politisches Thema, das uns derzeit in Europa umtreibt, ist die Flüchtlingskrise. Was sagen Sie als Primatologin: Liegt es in unserer Natur, Fremde willkommen zu heißen?
Goodall: Nein. Primaten sind sehr territorial. Es entspricht ihrer Natur, ihre Nahrungsressourcen, Weibchen und Jungtiere zu schützen. Das erklärt …..
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Leise rieselt der Ruß
Schiffsabgase gefährden die Gesundheit. Warum dürfen sie immer noch die Luft verpesten?
Ein Kommentar von Philip Bethge
Das Wasser glitzert. Die Möwen schreien. Das Dickschiff tutet. Schön ist’s am Hafen. Aber dann: Schwarze Wolken puffen in die Luft. Dieselruß rieselt auf die Kais. Und was nach großer, weiter Welt riecht, kann tödlich enden. Eine Studie der Universität Rostock und des Helmholtz-Zentrums München bestätigt jetzt, dass Schiffsabgase Lungenzellen schädigen. Die Weltgesundheitsorganisation stuft Ruß als ebenso krebserregend ein wie Asbest. Trotzdem fährt fast die gesamte Handels-, Fähr- und Kreuzfahrtflotte der Erde immer noch mit dreckigem Schweröl. Effektive Abgasanlagen sind auf Schiffen so rar wie Kapitäninnen. Warum ist das so? Weil Schweröl billig ist. Weil in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation große Flaggenländer wie Liberia oder die Marshallinseln das Sagen haben, denen Umwelt und Gesundheit am Heck vorbeigehen. Weil nur in wenigen Meeresgebieten überhaupt Abgasgrenzwerte gelten, in der Nord- und Ostsee etwa. Und: weil dort viel zu selten kontrolliert wird. Zwar setzen einzelne Branchen wie zum Beispiel die Kreuzfahrtreeder sogenannte Schwefeloxid-Scrubber und Stickoxidfilter ein. Auch nutzen neuere Traumschiffe in manchen Gewässern inzwischen Schiffsdiesel, der sauberer als Schweröl ist. Doch konsequent wäre es, Schweröl komplett zu verbannen und die Schiffsantriebe ganz auf Diesel oder gleich auf Flüssiggas umzurüsten. Nur wenn der Treibstoff bereits schwefelarm aus der Raffinerie kommt, können die Abgase durch effektive Katalysatoren und Rußpartikelfilter geschickt werden. Bei Lastwagen ist das seit Jahren Standard. Warum nicht auf See?
Der Naturschutzbund Deutschland hat am Hafen von Kiel gerade Feinststaubwerte gemessen, die rund 20-fach “über dem ortsüblichen Niveau” liegen. Auch über Hamburgs edler HafenCity wabert der Ruß aus den Schiffsschloten. Dort hat so mancher Reeder sein Büro. Vielleicht hilft ja: tief durchatmen?