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  • Die Wal-Kämpfer

    Paul Watson, Gründer der Meeresschutzorganisation Sea Shepherd, hat die Selbstjustiz auf den Ozeanen salonfähig gemacht. Mit rabiaten Methoden versuchen seine Ökopiraten, das Leben von Walen, Robben und Haien zu retten.

    Von Philip Bethge

    Wie geht das, einen Wal zu töten, tonnenschwer und sechs Meter lang, der im seichten Wasser liegt? Eine Handbreit hinter dem Blasloch muss die Lanze angesetzt werden. Ein kräftiger Druck, und wie durch Butter gleitet die blattförmige Schneide durch den Walspeck, dringt in die Wirbelsäule ein und durchtrennt das Rückenmark.

    Nur Sekunden dauert es, dann ist der Grindwal tot. So soll es eigentlich sein beim “Grindadráp”, der traditionellen Waljagd auf den Färöern. Doch dem Hamburger Studenten Nico Flathmann, 21, bot sich ein anderer Anblick.

    “Hier lagen die Wale und haben um ihr Leben gekämpft”, erzählt Flathmann und deutet auf den Steinstrand hinter sich, “das Wasser war blutrot.” Minutenlang hätten die Tiere gelitten, weil die Männer die Lanze falsch angesetzt oder “im Blutrausch” gleich zum Messer gegriffen hätten.

    Flathmann hat ein Video von der Waljagd am Hvannasund gemacht, einer Bucht im Norden des Färöer-Archipels. Männer rennen in dem Film ins Wasser und schlagen große Stahlhaken in die Blaslöcher der zuvor von Booten zusammengetriebenen Grindwale. Aus zuckenden Leibern spritzt Blut in die Höhe. Vom Ufer aus verfolgen Schaulustige das Spektakel. “Sie lachten, und es waren sogar Kinder dabei”, sagt Flathmann, “es ist erschreckend, wie viel Spaß die Leute an dem Gemetzel haben.”

    –> Originaltext auf Spiegel.de

    Flathmann ist für die Organisation Sea Shepherd im Einsatz, um den Walfängern der Färöer das Handwerk zu legen. Am vorigen Montag wurden zwei der Aktivisten von der örtlichen Polizei festgenommen, weil sie eine Waljagd behindert haben sollen. Mit zwei Schiffen und einem Team an Land sind die Meeresschützer derzeit vor Ort. Es ist die aktuelle Kampagne einer einzigartigen Umweltguerilla.

    Sea-Shepherd-Aktivisten kappen die Netze illegaler Fischer im Südpolarmeer und stellen sich Robbenschlächtern in Schottland und Finnland in den Weg. Vor Australien, Südafrika und Brasilien zerstören sie Köderleinen für Haie oder bewachen Meeresschildkröten. Mit ihren Booten fahren sie Walfängern vor den Bug, bis Stahl auf Stahl kracht . Im Hafen sprengten die Aktivisten sogar Löcher in die Rümpfe der verhassten Jagdschiffe.

    Kritiker werfen den Tierschützern “Ökoterrorismus” vor. Für ihre Anhänger jedoch sind sie die letzten großen Helden einer Umweltbewegung, die in den Siebzigerjahren mit der Gründung von Greenpeace begann und heute fast untergegangen erscheint – gäbe es da nicht “Neptuns Navy”, wie sich die Ozeanhirten nennen .

    “Wir sind eine globale Bewegung”, sagt Paul Watson, der Gründer der Organisation. Er will die Ozeane schützen, falls nötig mit Gewalt. Als Logo hat er einen Totenkopf gewählt. Dreizack und Hirtenstab kreuzen sich darunter, “Symbole für Aggressivität und Schutz”, wie Watson sagt. “Wir protestieren nicht, wir intervenieren; nur protestieren ist was für Feiglinge.”

    Für solche Sprüche lieben ihn seine Fans. Und Watson ist erfolgreicher als je zuvor. Aus einer kleinen Ökokämpfertruppe hat er eine weltweit operierende Organisation geformt. In 40 Ländern ist Sea Shepherd inzwischen aktiv. Der US-Fernsehsender Discovery Channel produziert die Serie “Whale Wars”, die Sea Shepherds Kampf gegen die japanische Walfangflotte begleitet. Das Spendenaufkommen der Organisation hat sich seit 2008 auf jährlich etwa zwölf Millionen Dollar vervierfacht.

    Acht Schiffe gehören zur Flotte der Ökopiraten. Im Januar erhielt die Organisation 8,3 Millionen Euro von einer niederländischen Wohltätigkeitslotterie. Erstmals will Watson nun ein Schiff nach eigenen Plänen bauen lassen. Seinen Crews aus Freiwilligen bietet er kaum Geld, dafür jedoch Ruhm und Abenteuer und das gute Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen.

    Auch für Prominente hat Watson ein Händchen. “Uns unterstützen Captain Kirk, Batman, McGyver und zwei James Bonds”, schmunzelt er: Die Schauspieler William Shatner, Christian Bale, Richard Anderson, Sean Connery und Pierce Brosnan konnte er gewinnen. Letzter Neuzugang im Sea-Shepherd-Beirat ist die “Baywatch”-Blondine Pamela Anderson.

    “Mich überrascht der Erfolg von Sea Shepherd nicht”, sagt Rex Weyler, ein ehemaliger Greenpeace-Vordenker und Wegbegleiter Watsons. “Viele Menschen sind verzweifelt, wenn sie sehen, was mit der Welt geschieht; sie bekommen Angst und wollen schnelle Lösungen und jemanden, der handelt.”

    Das Treffen mit Watson findet in einem Hotel in der Rue Boulard im Pariser Stadtteil Montparnasse statt. Watsons Brustkorb ist trotz seiner 64 Jahre immer noch breit wie ein Fass, sein Gesicht zerknautscht wie ein ungemachtes Bett. Begleitet wird er von seiner vierten Frau, der 30 Jahre jüngeren, russischen Tierrechtsaktivistin Yana Rusinovich. In Watsons Redeschwall reiht sich bald eine Räuberpistole an die nächste. Mit weißem Bart und zerzaustem Haupthaar wirkt er wie ein Seebär, der sich in die Großstadt verirrt hat.

    Watson wuchs in St. Andrews auf, einem Küstenort im Osten Kanadas. Schon in jungen Jahren arbeitete er für die kanadische Küstenwache und heuerte als Seemann auf Handelsschiffen an. Seine Aktivistenkarriere begann mit 19, als er gegen Atomwaffentests in Alaska demonstrierte. Aus der damaligen Protestbewegung ging Greenpeace hervor.

    Doch in der jungen Regenbogenkriegertruppe konnte sich der streitbare Kanadier nicht lange halten. “Er war zu machtbesessen, zu unerbittlich darin, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und alle anderen beiseitezudrängen”, erinnerte sich Robert Hunter, einer der Greenpeace-Gründer. Vor allem mit dem späteren Chef von Greenpeace Kanada, Patrick Moore, geriet Watson aneinander. Laut Watson eskalierte der Streit im Eis von Labrador.

    “Ich leitete die Kampagne gegen das Abschlachten der Robben, und wir hatten Brigitte Bardot als Unterstützerin gewonnen”, so erzählt es Watson. Ein Hubschrauber habe bereitgestanden, um die Bardot zu den Eisfeldern zu fliegen. “Patrick verlangte mitzufliegen, ich lehnte ab: ,Patrick, du bist kein Fotograf, kein Kameramann, ich brauche dich dort nicht.’” Seine angebliche Antwort: “Lass es mich so sagen: Ich fliege in diesem Hubschrauber; und wenn ich Präsident werde, setze ich dich vor die Tür.”

    Kurz darauf wurde Moore tatsächlich Chef – und Watson musste gehen. Aber nicht nur, weil er den Hahnenkampf zweier Alphamänner verloren hatte. “Paul definierte Gewaltlosigkeit neu”, sagt Weyler. “Gandhi war ihm nicht genug; er fand es in Ordnung, Eigentum zu zerstören, auch wenn er damit gegen Gesetze verstieß.” Das aber widersprach dem gewaltfreien Greenpeace-Ethos – eine Zerreißprobe für die junge Organisation.

    Für Watson war der Rauswurf am Ende ein Glücksfall. Erst auf sich allein gestellt, konnte er seinen Aufstieg zum Fidel Castro des Meeresschutzes starten.

    Seinen ersten Walfänger rammte Watson 1978. Kurz darauf gründete er Sea Shepherd und machte fortan mit Aktionen gegen sowjetische Walfänger und kanadische Robbenschlächter von sich reden. Die Selbstjustiz auf See begründete Watson bald nicht mehr nur moralisch, sondern auch juristisch. Er beruft sich auf die World Charter for Nature der Vereinten Nationen. Dort heißt es, dass nicht nur Staaten, sondern auch “internationale Organisationen, Individuen” und “Gruppen” Umweltrecht “implementieren” und die Natur “jenseits nationaler Jurisdiktion”, also beispielsweise auf hoher See, schützen sollen .

    “Wir müssten nicht tun, was wir tun, wenn die Regierungen der Welt die Gesetze durchsetzen würden, die sie unterzeichnet haben”, sagt er. “Aggressive Gewaltlosigkeit” nennt er seine Strategie. “Wir zerstören Eigentum, das zum Töten benutzt wird; aber wir haben nie Menschen verletzt und würden dies auch nie tun.”

    Sea-Shepherd-Aktivisten werfen mit Beuteln voller stinkender Buttersäure nach den verhassten Walfängern. Sie versuchen, die Schiffsschrauben ihrer Gegner mit Stahlkabeln zu blockieren. Sie kappen Schleppnetze und zerstören Harpunen.

    Dass dabei noch niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist, grenzt an ein Wunder. Greenpeace zumindest hält Watsons Weg nach wie vor für falsch, moralisch wie taktisch. Wenn es einen Weg gebe, die Japaner im Walfang zu bestärken, dann sei es, “Gewalt gegen ihre Flotte” anzuwenden, so Greenpeace: “Es ist falsch, weil es Menschenleben in Gefahr bringt und die Walfänger nur stärker macht .”

    Watson ficht das nicht an. Und der Erfolg scheint ihm recht zu geben. “Unsere Mandanten sind Wale, Haie, Robben und Fische”, sagt er. Ob er das Richtige tut, misst sich für ihn einzig an der Zahl geretteter Meerestiere. 6000 Wale will Watson allein im Südpolarmeer seit 2002 vor der Harpune bewahrt haben, weil seine Schiffe die Japaner Jahr für Jahr daran hinderten, ihre für angebliche wissenschaftliche Zwecke notwendige Fangquote auszuschöpfen. Inzwischen hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag den Wissenschaftswalfang der Japaner verboten.

    Spektakulär endete eine Sea-Shepherd-Operation im Mai, als vor Westafrika der Fischtrawler “Thunder” gurgelnd im Atlantik versank. 110 Tage lang hatten Sea-Shepherd-Boote den Trawler verfolgt. Die Aktivisten sagen, der Kapitän habe die “Thunder” am Ende absichtlich versenkt, um Beweise zu beseitigen. Der Trawler soll auf illegalem Fischzug nach wertvollem Antarktisdorsch gewesen sein.

    Die Jagd auf den Raubfischer begann bereits im Dezember vor der Küste der Antarktis. 72 Kilometer illegal ausgelegte Netze bargen die Aktivisten in den Folgewochen. Ein Fang im Wert von rund drei Millionen Dollar soll der “Thunder” entgangen sein. Schließlich soll der Kapitän entnervt aufgegeben und die Seeventile geöffnet haben. Die Sea-Shepherd-Aktivisten nahmen die Schiffbrüchigen an Bord und übergaben sie den Behörden .

    Einen ähnlichen Erfolg erhoffen sich die Sea-Shepherd-Leute nun auch auf den Färöern. Dort allerdings haben sie ein ganzes Volk gegen sich. Gut gegen Böse – Sea Shepherd bietet einfache Lösungen in einer komplizierten Welt. Schwierig wird es, wenn die Rollen nicht so klar verteilt sind.

    Der “Grindadráp” ist eine uralte Tradition . Schon die Wikinger sollen auf den Färöern Wale gefangen haben. Offizielle Aufzeichnungen der Jagd gibt es seit 1584. Rund tausend Grindwale töten die Einheimischen jedes Jahr – bei einer geschätzten Gesamtpopulation von über 700 000 Tieren. Einsehen mag auf den Inseln daher kaum jemand, warum die Jagd plötzlich aufhören sollte.

    “Der Grind ist Teil unserer Lebensart, wie das Fischen und die Schafzucht”, sagt Hendrik Akurstein, 31. Der angehende Umweltingenieur war dabei, als Anfang Mai die Grindwale in den Hvannasund getrieben wurden. Sein Holzhaus steht kaum 200 Meter von jenem Strand entfernt, an dem die Tiere verendeten. Mit seinem kleinen Motorboot half er dabei, die Meeressäuger in die Falle zu treiben. Damit war ihm ein Anteil an der Beute sicher.

    Akurstein geht hinüber in seine Garage und öffnet die Tiefkühltruhe. Neben Hühnchen und Steaks lagern dort Plastiktüten mit tiefrotem Walfleisch. “Daraus schneide ich Steaks für meine Familie”, sagt er. Auch getrocknet sei das Fleisch eine Delikatesse. Oder der Walspeck: In einer grünen Tonne sind die mehrere Zentimeter dicken, weiß glänzenden Fettstücke in Salz eingelegt.

    Einmal im Monat gibt es bei Akurstein, seiner Frau Hallgerð und ihrem drei Monate alten Baby Walfleisch zu essen. Mehr bitte nicht, empfehlen Gesundheitsexperten. Das Fleisch ist mit PCB, Dioxinen und Schwermetallen belastet .

    Ist der seltene, vergiftete Genuss wirklich das Gemetzel wert? Die Färinger sind davon überzeugt. So wichtig ist ihnen der “Grind”, dass das Parlament in der Hauptstadt Torshavn im Mai sogar ein neues Gesetz zum Schutz der Waljagd verabschiedete . Den am vorigen Montag festgenommenen Sea-Shepherd-Aktivisten drohen bis zu zwei Jahre Gefängnis.

    “Dieses Gesetz wurde extra für uns geschrieben”, schimpft Lockhart MacLean, 35, Kapitän des Sea-Shepherd-Schiffs “Sam Simon”. Strafbar ist nun bereits, wer in Verdacht gerät, gegen die Waljagd vorgehen zu wollen. “Damit sind wir gemeint”, sagt MacLean und lächelt gequält.

    Anfang Juli ist der Kapitän mit der 56 Meter langen “Sam Simon” auf den Färöern angekommen. Ein weiteres Sea-Shepherd-Schiff, die “Brigitte Bardot”, kreuzt ebenfalls in den Gewässern. MacLean hat etwa 30 Crewmitglieder an Bord. Ein bunter Haufen Freiwilliger aus aller Welt: Ashkr Audet, 20, aus Melbourne, gerade erst mit der Schule fertig, hilft auf der Brücke aus. Sven Höreth, 32, ein deutscher Kfz-Mechaniker, arbeitet an der 1800-PS-Maschine des Schiffs; Giacomo Giorgi, 34, ehemaliger Sänger einer Heavy-Metal-Band, ist Bootsmann und steuert eines der zwei schnellen Schlauchboote, die auf dem Achterdeck bereitstehen.

    Auf einem Sea-Shepherd-Schiff geht es zu wie in einer Jugendherberge für Weltverbesserer. Das Essen ist vegan, die Stimmung gut. Hier auf den Färöern allerdings suchen die Aktivisten noch nach der richtigen Strategie. “Im Moment ist es uns erst mal wichtig, Präsenz zu zeigen, um die Färinger nervös zu machen”, sagt MacLean. Auf einer Seekarte hat er die “Killing Beaches” der Einheimischen mit rosa Klebepunkten markiert, 18 an der Zahl. Dort ist die Grindwaljagd offiziell erlaubt.

    Mit dem Finger fährt der Frankokanadier auf der Karte den für diesen Tag geplanten Kurs ab. Dann blickt er hinaus auf das bleierne Meer und die Inseln, die jetzt im Sommer wie mit grünem Samt überzogen wirken. Die See ist heute ruhig, die dunklen Wolken liegen tief, “ein gefährlicher Tag für Wale”, sagt MacLean. Genau an solchen Tagen lassen sich die Tiere gut sichten und an die Strände treiben.

    Wenig später lassen die Aktivisten ihre Schlauchboote zu Wasser, um in den Buchten zu patrouillieren. Kündigt sich eine Waljagd an, tauchen allerdings sofort Polizeiboote auf. Die Färinger haben eine Bannmeile eingerichtet. Sogar zwei Fregatten der dänischen Marine folgen den Sea-Shepherd-Schiffen rund um die Uhr.

    “Mit dänischer Hilfe wird hier ein Gesetz durchgesetzt, dass das Abschlachten von Walen schützt”, sagt MacLean. Die Grindwaljagd verstoße nicht nur gegen EU-Recht, sondern auch gegen das Übereinkommen zur Erhaltung wandernder Tierarten. Optimistisch ist MacLean trotzdem: “Früher oder später wird es auch hier keinen Walfang mehr geben, die Färinger haben es nur schwer, das zu schlucken.”

    “Man gewinnt diese Dinge nicht über Nacht”, sagt Paul Watson bei dem Treffen in Paris. Der Sea-Shepherd-Gründer hat gelernt, mit Rückschlägen fertig zu werden. Auf den Färöern etwa kann er nicht selbst dabei sein, weil er aktuell auf einer Fahndungsliste von Interpol steht. Costa Rica und Japan fordern seine Auslieferung.

    In Costa Rica soll er im April 2002 sechs Haifischflossenjäger in Lebensgefahr gebracht haben, als er deren Boot attackierte. Die Japaner machen ihn für das Entern eines ihrer Walfangschiffe vor fünf Jahren in der Antarktis verantwortlich. Deutsche Bundespolizisten nahmen die Interpol-Notiz im Mai 2012 ernst und verhafteten Watson am Frankfurter Flughafen. Doch der Tierschützer kam auf Kaution frei – und floh. Monatelang verschwand er von der

    Bildfläche, “im Südpazifik, auf verlassenen Inseln”. Inzwischen versucht er, die Sache juristisch zu klären. In Frankreich genießt er eine Art Asyl. Das Land hat ihm zugesichert, die Interpol-Fahndung vorläufig zu ignorieren. Auch in die USA darf Watson reisen.

    “Die Vorwürfe sind politisch motiviert”, wettert der Tierschützer. Um Sea Shepherd nicht zu schaden, hat er kürzlich trotzdem alle Ämter niedergelegt. Darin sieht er sogar einen Vorteil. Die zuvor zentral gelenkte Organisation sei nun in viele einzelne Ländergruppen aufgegangen. “Das macht uns flexibler.”

    Außerdem hat Watson Sea Shepherd Legal ins Leben gerufen. Künftig will er seine Gefechte nicht nur auf See, sondern auch im Gerichtssaal führen.

    “Sie haben geglaubt, dass sie uns ausschalten könnten”, sagt Watson, “stattdessen sind wir stärker als je zuvor.”

    Und welche Rolle ihm künftig zufalle bei Sea Shepherd? Watson zögert keine Sekunde: “Ich bin der Admiral.”

    Mail: philip_bethge@spiegel.de , Twitter: @philipbethge

    –> Originaltext auf Spiegel.de

  • Schiff versenkt

    Kommentar: Die illegale Ausbeutung der Meere muss endlich beendet werden.

    Von Philip Bethge, SPIEGEL 16/2015

    Highnoon auf dem Ozean: Vor Westafrika versank vorigen Montag ein Fischtrawler, der monatelang von Booten der Organisation Sea Shepherd verfolgt worden war. Die Ökoaktivisten sagen, der Kapitän habe den Trawler namens “Thunder” absich tlich versenkt, um “Beweise zu beseitigen”. Denn die “Thunder” soll auf illegalem Fischzug gewesen sein.

    Der Vorfall verweist auf ein weltweites Problem: Rund 25 Millionen Tonnen Fisch – bis zu einem Drittel des weltweiten Fangs – werden unrechtmäßig angelandet. Es ist empörend, dass dieses Problem überhaupt noch existiert. Illegaler Fischfang ist nur möglich, weil es den Trawlern immer noch viel zu leicht gemacht wird, die Regeln zu brechen – indem sie unter Billigflagge fahren oder zum Anlanden ihrer Beute Häfen in Entwicklungsländern anlaufen, in denen die Kontrollen lax und die Beamten korrupt sind.

    Illegaler Fischfang ist nur deshalb lukrativ, weil jene Länder, in denen der Fisch verkauft wird, nicht ausreichend die Herkunft der Fänge hinterfragen.

    Die EU muss mit gutem Beispiel vorangehen und den Fischhandel zu einem genaueren Herkunftsnachweis der Ware zwingen. Auch der Betrieb von Trawlern unter Billigflagge darf für Unternehmen, die Fisch bei uns handeln wollen, nicht mehr akzeptiert werden. Sonst geht der Raubbau weiter, der unter anderem dazu führt, dass Fischereiexperten die Fangquoten falsch festlegen, weil sie die illegalen Fänge nicht berücksichtigen.

    Für ihre Verfolgungsjagd auf hoher See ist den Ökoaktivisten kein Vorwurf zu machen – im Gegenteil. Dankenswerterweise haben sie eine Fischindustrie bloßgestellt, die sich nicht an die Regeln hält. Und sie haben den Raubfischern in Seenot geholfen – und das, obwohl sie diese wohl am liebsten in die ewigen Fischgründe geschickt hätten. Stattdessen nahmen sie die Schiffbrüchigen an Bord und übergaben sie den Behörden.

  • Die Qual der Wale

    Von Philip Bethge, DER SPIEGEL 38/2014

    Vor einigen Wochen bereiste ich die Ostküste der USA. Auf der Insel Nantucket, einst Hochburg des Walfangs, erfuhr ich im örtlichen Museum, dass die Indianer die Tiere dort vor 400 Jahren mit kleinen Booten noch direkt vom Strand aus jagen konnten – so viele Wale gab es damals im Atlantik. Dann fuhren wir zum Whale-Watching hinaus aufs Meer, und ich erlebte, wie drei Buckelwale nebeneinander unter unserem Schiff hindurchtauchten – ein unvergesslicher, magischer Moment.

    Die Meeressäuger lassen uns nicht kalt. Diese Wesen sind intelligent, leidensfähig und hochgradig sozial. Das oftmals frustrierende Ringen um den Schutz dieser Tiere darf deshalb nicht aufhören – das Engagement der Artenschützer auf der Tagung der “International Whaling Commission” diese Woche in Slowenien ist sogar wichtiger denn je. Island jagt immer mehr bedrohte Finnwale und exportiert das Fleisch nach Japan. Norwegen vermeldet steigende Zahlen getöteter Zwergwale. Die Grönländer jagen weiter und locken “abenteuerlustige Gourmets” auf ihrer Tourismus-Website mit “Mattak”, Walspeck, ins Land. Und Japan will weiter unter dem Deckmantel der Forschung Walfang betreiben. All das untergräbt das kommerzielle Walfangmoratorium und macht wütend.

    Wer etwas dagegen tun will, kauft keinen Fisch mehr von Firmen wie der isländischen HB Grandi, die eng mit dem Walfang verbunden ist. Auch den Besuch von Delfinarien sollten wir uns sparen. Die Delfinschlächter in der Bucht von Taiji in Japan richten in diesem Jahr auch deshalb wieder ein Massaker an, weil sie einige wenige der Tiere für viel Geld an Zoos verkaufen können. Jedes Delfinarium, auch das in Duisburg oder Nürnberg, befördert eine Kultur, die Meeressäuger zu Clowns macht. Das Fangen und Töten von Walen und Delfinen passt nicht mehr in die Zeit. Sie endlich in Ruhe zu lassen würde uns Menschen ehren.